Caesar oder nichts? Oja! Das Parlament
Der ÖVP-Vorsitzende Kurz ist „bei den Menschen“, das heißt, dass er bereits Wahlkampf betreibt, die SPÖ-Vorsitzende Rendi-Wagner spricht gerne von „den Menschen da draußen“, und der frühere FPÖ-Vorsitzende Strache erspart uns Menschen doch hoffentlich die Peinlichkeit, Österreich im EU-Parlament zu vertreten.
Da tut es besonders gut, einer Frau zuzuhören, die uns nicht mit diesem schrecklichen Polit-Sprech langweilt, sondern in wohl gewählten Worten darauf aufmerksam macht, was vor allem in den letzten 17 Monaten schief gelaufen ist. Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein appellierte an das „verbindende Element der Menschlichkeit“, und sie will „keine Feindbilder entstehen lassen“. Diese Frau, der niemand eine linke politische Agenda vorwerfen kann, hat uns in wenigen Worten erklärt, auf welchen Weg die österreichische Politik zurückfinden muss. Und dieser Satz drückte auch noch ein Stück Optimismus aus: „In diesem Hohen Haus schlägt das Herz der österreichischen Demokratie. Und dieses Herz schlägt lebendig und kräftig.“
Darüber sollten alle nachdenken, die vor zwei Jahren für ein Mandat im Nationalrat kandidiert haben, wie etwa Sebastian Kurz, nie aber auch nur eine Sekunde daran dachten, dieses auch anzunehmen. „Aut Caesar aut nihil“ – das passte zu einem Renaissancefürsten wie Cesare Borgia. „Kanzler oder nichts“ ist hingegen ein Ausdruck der Verachtung der gesetzgebenden Institution unseres Landes.
Ein Wahlrecht für starke Persönlichkeiten
Die momentane Krise sollte die Politik an das demokratische Prinzip der Gewaltenteilung erinnern. Das Parlament ist eben nicht das Vollzugsorgan der Regierung, die nach der Verfassung frei gewählten Abgeordneten sollten sich auch so verhalten dürfen – und im Interesse ihrer Wählerinnen und Wähler agieren, und nicht auf Befehl ihrer Parteiführer. Die Zeit für ein neues Wahlrecht ist zu kurz vor der Nationalratswahl im September. Aber vielleicht finden sich Abgeordnete, die endlich Vorarbeiten für ein mehr personenbezogenes Wahlrecht treffen. Und alle Frauen und Männer, die sich vor allem auf Spitzenplätzen der Listen befinden, sollten deutlich erklären, ob sie ihr Mandat – also den Wählerauftrag – annehmen werden oder nur Kanzler oder Ministerinnen werden wollen.
Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein hat in ihrer kurzen, aber eindrucksvollen Rede auch auf wichtige Zukunftsthemen hingewiesen, wie die Digitalisierung, den Klimawandel und ein weltoffenes Österreich. Und noch eines: Der nächste Wirtschaftsabschwung kommt bestimmt. Bisher haben wir von keiner Partei klare Ideen bekommen, wie das Land darauf vorbereitet wird. Sicher ist: Krisen werden besser gemeinsam gemeistert, und sicher nicht durch Ausgrenzung von Teilen der Bevölkerung.
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