Bürgerliche Zersplitterung

Die Regierung signalisiert Neuaufbruch. Klingt gut, aber wie steht’s eigentlich um die ÖVP?
Martina Salomon

Martina Salomon

Die Zeit der großen Volksparteien ist vorbei.

von Dr. Martina Salomon

über das zersplitterte bürgerliche Lager

Die Spaltung des bürgerlichen Lagers, die Bruno Kreisky einst bewusst betrieb, indem er die FPÖ mit einem neuen Wahlrecht begünstigte und die Bauern umwarb, ist in Fragmentierung gemündet.

Es war schon erstaunlich, mit welcher Inbrunst schwarze (Ex-)Politiker in den vergangenen Wochen für Van der Bellen warben – und wie sie schon im ersten Wahlgang naserümpfend von "ihrem" Kandidaten Andreas Khol abrückten. In den nobleren städtischen Bezirken (von Bregenz bis Döbling) wählte man Griss und Van der Bellen. Die Top-Juristin scheint nun "Blut geleckt" zu haben. Bei der nächsten Nationalratswahl könnte sie mitmischen, neben/mit den Neos. Noch mehr Konkurrenz für die ÖVP, die die Chance vertan hat, gegen den schwachen Werner Faymann zu punkten. Jetzt hilft wahrscheinlich auch kein Sebastian Kurz mehr als Spitzenkandidat. Die Hoffnungen der Partei in ihn sind unerfüllbar hoch. Er ist kein Messias.

Ohnehin könnte die SPÖ in nächster Zeit mehr Koalitionsmöglichkeiten haben als die ÖVP. Selbst linke Exponenten rücken gerade zizerlweise ihre Linie zur (möglicherweise bald Hofer-)FPÖ zurecht – während die ÖVP die FPÖ (nicht nur) durch ihre teilweise VdB-Stützung vergrätzt hat. Rot-Blau wäre der Albtraum für die grün-wählenden Villenbesitzer und Wirtschaftstreibenden, weil sie wahrscheinlich die "Miete" dafür zahlen werden. Die ÖVP hätte dann aber wenigstens in der Opposition Zeit darüber nachzudenken, was "bürgerlich" eigentlich bedeuten könnte. Gleichzeitig würde Rot-Blau wohl die Geburt einer neuen linken Partei begünstigen. Die Zeit der großen Volksparteien scheint vorbei zu sein. Aber das ist mehr demokratische Normalität als Rot-Schwarz forever.

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