Böses Erwachen im grünen Traumland

Das Jahr, das für die Partei so gut begonnen hat, könnte mit einer großen Enttäuschung enden.
Martina Salomon

Martina Salomon

Falls es noch einen Wähler gibt, der findet, Europa solle halb Afrika aufnehmen, so ist er im grünen Traumland gut aufgehoben.

von Dr. Martina Salomon

über die Zukunft der Grünen.

Ausgerechnet der jetzige Bundespräsident hätte es 2003 als grüner Parteichef in der Hand gehabt, seine Partei in die Bundesregierung zu bringen. Damals war übrigens Peter Pilz – der Pragmatiker und "Erfinder Van der Bellens" – nicht nur federführender Verhandler, sondern auch Befürworter einer schwarz-grünen Koalition. Sie scheiterte an der Kompromisslosigkeit des linken Flügels der Grünen (in Wien) und an Wolfgang Schüssels Sturheit. Eine riesige, vertane Chance für beide Parteien.

Das Jahr 2017 begann mit einem Triumph für die Ökos, die ihren (parteifreien?) Kandidaten in die Hofburg brachten. Doch es endet möglicherweise mit einem Wahldesaster. Der vorverlegte Wahltermin erwischt die Grünen am falschen Fuß. Ulrike Lunacek ist eine seriöse Europapolitikerin, Ingrid Felipe eine freundliche Landespolitikerin. Ohne Parteispaltung hätten die Grünen zumindest das verwaiste linke Eck besetzen können, weil Rot und Schwarz (mittlerweile auch Pilz) nach rechts gerückt sind. Im Puls4-Interview Montagabend präsentierte Lunacek viel Linkspopulistisches, sozusagen ein "SPÖ-plus-Programm" (mehr Mindestlohn, mehr Erbschaftssteuer).

Ihre Kritik an der Schließung der Balkanroute wiederum ist, nun ja, mutig. Falls es noch irgendeinen Wähler gibt, der findet, Europa solle halb Afrika mit offenen Armen aufnehmen, so ist er im grünen Traumland gut aufgehoben. Ein paar Kreative aus Wien-Neubau werden sicher auch dankbar ihr Kreuzerl bei Grün machen. Und, ja, die Partei ist das einzig verbliebene Bollwerk gegen Blau – aber eines im Mini-Format. Reicht das für ein zweistelliges Ergebnis, gar für eine Regierungsbeteiligung? Eher nicht. Lunacek hat ihren Fuß in der Brüsseler, Felipe ihren in der Innsbrucker Tür gelassen. Die beiden scheinen ihre Zukunft also recht realistisch einzuschätzen.

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