Die Sekolumne im Weblog: PETTING STATT PORNO

Es heißt, die Generation Porno wisse alles und das immer früher: 14-jährige praktizieren Oralsex auf dem Klo, junge Mädchen prahlen mit der Zahl ihrer Sex-Partner. Doch die deutsche Studie Jugendsexualität 2010 zeigt, dass die Jungen umdenken.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Statt Blowjob-Bonuspunkte zu sammeln, sehnen sie sich nach dem Traumpartner.

Der Bub will ein Schnitzi, also paniert ihm das Herzibinki eines. Und weil's so schön ist, serviert ihm die Süße dazu eine große Schüssel handgehobelten Erdäpfelsalat. Danach kuscheln die Zwei bei ihrer Lieblingsserie, noch einmal später versinkt das Paar in den Mulden seiner IKEA-Matratze. Und das ohne Exzess. Ordnung muss sein, auch im Leben der ganz Jungen. Die Geschichte um den Buben, das Herzibinki und das Schnitzi ist rührend. Er 20, sie 19. Seit zwei Jahren ein Paar, haust Familie Putzig auch schon wieder acht Monate auf schnuckeliger Untermiete - mit Schwerpunkt Händchenhalten und Sonntagmorgenverkehr in der Löffelchenstellung. Konservativer geht's kaum - aber das ist, erstaunlich genug, ein Trend, der die mittlerweile schon leicht arthritischen 68er-Überbleibseln zum Wundern veranlasst. Statt sich ineinander beim Analsex zu verkeilen, geht es die viel zitierte "Generation Porno" nun pomali an. Genitalfixiert? Wir doch nicht! Mit dem ersten Mal - wie jetzt die Studie "Jugendsexualität 2010" in Deutschland zeigt - lassen sich Heranwachsende wieder Zeit. Der Anteil der 14-jährigen Buben etwa, die schon Sex hatten, sank im Vergleich zur letzten Untersuchung 2005 von zehn auf vier Prozent. Bei den Mädchen sind es statt zwölf gar nur mehr sieben Prozent. Und bis zum Alter von 17 hatte mehr als ein Drittel der Befragten gar keinen Sex. Statt Blowjob-Bonuspunkte zu sammeln, sehnt sich die Jugend nach einer festen Beziehung - und da nach dem/der legendären "Richtigen". Wow. Das ist gut, sehr gut sogar. Weil es zeigt, dass sich die Kids weniger vom allgemeinen sexuellen Mainstream mitschwemmen lassen. Der impliziert, der Sinn des Lebens bestünde darin, sich ein Image zu ervögeln. Ich habe mit Mädchen geredet, die ließen sich mit 13 von irgendeinem Typen entjungfern, weil sie meinten, das müsse endlich sein. Weil doch die da und die da auch schon . .  . Sex wird auf diese Art wie Saufen abgehandelt - Komakoitieren, fuck Oida: Es zu tun, bedeutet, cool zu sein. Also bringt man die Nummer ruckzuck hinter sich. Wie etwa der 15-jährige Leon in "Generation Geil" (das neue Buch der 16-jährigen Katharina Weiß, in dem Jugendliche aus ihrem Leben erzählen) schildert: "Im Nachhinein denke ich, dass mich die ganze sexuelle Schiene überfordert hat. Schon nach zwei Wochen Beziehung hatten wir Oralsex, und da waren wir 14." Das ist kein Wollen, das ist Müssen. Da mangelt es an Herz, an Seele und Sehnsucht. An Fühlen und Respekt. Vielleicht ändert sich da gerade etwas - nicht als eine von moralisierenden Erwachsenen erzwungene Pseudo- Prüderie, sondern als bewusste Neugestaltung des sexuellen Ichs. Mir fällt da meine Mama ein, die war nicht fad. Wohl deshalb sagte sie immer wieder zu mir: Hol dir nur die Männer ins Bett, die dich verdient haben. Wie viele das sind, ist wurscht. Aber jeder einzelne davon muss es wert sein." Ja, vielleicht kommen da junge Menschen auf uns zu, die das Reinrausnochlängernochtieferundfesterundöfterundlänger satt haben. Die es sich wert sind, jemanden zu finden, der sie mit ihrem Begehren beseelt. Ich würd's den Kids wirklich wünschen.

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