Quo vadis Formel Austria?

2007 fuhr Alexander Wurz noch für Williams, heute berät er den englischen Traditionsrennstall
Österreich drückt auch 2012 in der Formel 1 aufs Tempo. Doch der 16. rot-weiß-rote Pilot in der Königsklasse ist nicht in Sicht.
Philipp Albrechtsberger

Philipp Albrechtsberger

Zwölf Mal durften in der letzten Saison die Formel-1-Fans der österreichischen Bundeshymne lauschen – so oft wie keiner zweiten. Red Bull Racing sei Dank. Denn das Weltmeister-Team von Unternehmer Dietrich Mateschitz mit Sitz in England nimmt mit österreichischer Lizenz an der Weltmeisterschaft teil.Österreich bewegt die Königsklasse des Motorsports noch immer in beträchtlichem Maße: ein Rennstall (Red Bull), ein Teamchef (Franz Tost bei Toro Rosso), ein Team-Mitbesitzer (Toto Wolff bei Williams) und neuerdings auch ein Fahrlehrer. Alexander Wurz, Österreichs letzter Pilot mit einem Stammplatz in der Formel 1 (2007), berät ab sofort die Fahrer des Williams-Rennstalls.

Das ehrt in erster Linie den 69-fachen Grand-Prix-Piloten Alexander Wurz, der beim ins Straucheln geratenen englischen Traditionsteam (fünf WM-Punkte 2011) den Vorzug gegenüber erfolgreicheren Ex-Fahrern erhalten hat. Sein technisches Verständnis und Vermittlungsgeschick werden in der Szene hoch geschätzt, und zwar nicht nur bei der Analyse im ORF, sondern auch beim Gedankenaustausch mit Ingenieuren und Mechanikern.

Bergers Erben

Die Bestellung rückt aus österreichischer Sicht dennoch eine Frage in den Mittelpunkt: Wieso kommt bei dieser geballten rot-weiß-roten Fach- und Personalkompetenz kein österreichischer Pilot über die Runden? Die Frage wird im Jahr 2012 dringlicher denn je. 1997 in Hockenheim, also vor 15 Jahren, feierte Gerhard Berger nicht nur seinen letzten Grand-Prix-Sieg, sondern auch den letzten eines Österreichers. "Ich würde nicht viel darauf setzen, dass diese Serie bald zu Ende geht", sagt Wurz, ein Motorsport-Erbe Bergers, im Gespräch  mit dem KURIER. "Der Formel-1-Markt hat der Finanzkrise Tribut zollen müssen. Die Branche war gezwungen, sich anzupassen." Autohersteller zogen sich zurück, Sponsoren stiegen aus, europäische Regierungen konnten die Zuschüsse für die Rennstrecken kaum noch verantworten.

Eine Handvoll Fahrer im Zirkus dürfen mittlerweile vor allem dank der Mitgift ihrer Heimatländer und Sponsoren im schnellsten und exklusivsten Kreisverkehr der Welt mitfahren. Einen zweistelligen Millionen-Dollar-Betrag pro Saison überweist etwa ein venezolanischer Erdölkonzern an Williams, um Pastor Maldonado kreisen zu sehen. Freilich lässt sich eine solche Sponsoraktivität bei einem staatlichen Unternehmen, das dem Staat schon mal als propangadistisches Werzkzeug dient, leichter durch den Vorstand boxen als bei der OMV. Bei einigen Akteuren in der Boxengasse reicht die finanzielle Not bereits so weit, dass sie sogar Test- und Freitagsfahrten an den Höchstbietenden verscherbeln.

Nah und doch so fern

Quo vadis Formel Austria?

Erfreuliche Entwicklungen sind das nicht. Schon gar nicht für die ohnehin wenigen Motorsport-Talente Österreichs. "Es passiert dadurch leider immer öfter, dass ein Fahrer mit 30 Prozent mehr Talent auf der Strecke bleibt", meint Alexander Wurz.

Zumindest drei junge Österreicher machten zuletzt von sich reden. Der Salzburger Philipp Eng schaffte es letztes Jahr in die Young Driver Academy des Weltverbandes FIA; 2012 wird dort der Steirer Klaus Bachler ausgebildet; und der Austro-Italiener Mirko Bortolotti aus Wien gewann letztes Jahr die Formel-2-WM. Wurz: "Man darf eines nicht vergessen: Die Drei sind schon sehr weit im Motorsport." Und dennoch meilenweit von der Formel 1 entfernt.

Ihr Traum von der Königsklasse ist ein teurer. „Über eine Millionen Euro für die GP3-Klasse, rund zwei Millionen für die GP2“, rechnet Toto Wolff die Nachwuchsserien durch. Den vermarktungstechnisch wenig attraktiven Kartsport nicht miteingerechnet. Wer keinen Mäzen im Windschatten hat, braucht zumindest reiche Eltern. Allzu lukrativ für Geschäftsmänner ist das Management von jungen Fahrern zudem kaum noch. "War`s das je?", fragt Wolff am Rande der Testfahrten in Barcelona. "Wer das heute macht, befriedigt nur noch persönliche Eitelkeiten."

Lichtblicke

Immerhin: Zwei Lichtblicke gibt es am Motorsport-Horizont für die rot-weiß-rote PS-Zunft: Lichtblick eins trug sich erst vor kurzem bei den Testfahrten in Barcelona zu. Da stellte Nico Hülkenberg im Force India eine überraschende Tagesbestzeit auf. Ein junger Fahrer, dem lediglich zwei Dinge in die Formel 1 gebracht haben: Talent und Ehrgeiz. Noch Ende 2010 war der heute 24-Jährige nach einer soliden Debüt-Saison bei Williams durch den älteren, unroutinierteren, aber reichen Maldonado ersetzt worden.Lichtblick zwei führt über die österreichischen Grenzen. Bekanntlich lässt sich ja Ernüchertung in der Zweisamkeit leichter ertragen. In Italien herrscht Endzeitstimmung. Nicht nur, weil Ferrari, der wichtigste aller Formel-1-Rennställe hinterherfährt, sondern auch weil das stolze Motorland in der Saison 2012 erstmals seit 41 Jahren keinen Italiener an die Startlinie schickt. Noch kurz vor Start der offiziellen Testreihen wurde Jarno Trulli beim Caterham-Team ersetzt. Durch Witali Petrow. Einen reichen Russen.

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