Die Politik braucht auch „Spinner“

Martina Salomon
In einer Woche wird in der Steiermark gewählt. Sie war einst Hort der Querdenker. Müssen jetzt alle brav sein?
Martina Salomon

Martina Salomon

Dass „Steirerblut kein Himbeersaft“ ist (wie einst Reinhard P. Gruber dichtete) haben frühere ÖVP-Chefs oft schmerzhaft gespürt. Die steirischen Schwarzen waren Kreativkraftwerk, Querulanten, Intriganten, Vorreiter – je nach Blickwinkel. Die bürgerlichen intellektuellen „Spinner“, die aus dem literarischen „Forum Stadtpark“ und der Katholischen Hochschulgemeinde rund um Bischof Egon Kapellari hervorgingen, befruchteten Kunst und Medien. Manchmal auch beides, man denke an den ORF-Mann und umstrittenen Kulturmanager Wolfgang Lorenz. Er koordinierte die Kulturhauptstadt Graz. Kunsthaus und Murinsel legen bis heute davon Zeugnis ab. Wird Bad Ischl 2024 wie Graz 2003 und auch Linz 2009 den unbändigen Willen haben, nicht Provinz sein zu wollen? (Wobei: Ist nicht gerade das der Charme von Bad Ischl?)

Aber bleiben wir hinterm Semmering: Das Nachrichten-Sommerloch wurde jahrelang verlässlich mit Ideen des steirischen Politikers Christopher Drexler gestopft. (Tempo 160! Homo-Ehe!) Bernd Schilcher war Miterfinder der Neuen Mittelschule. Es waren Steirer (u. a. Herwig Hösele), die vergeblich für ein minderheitsfreundliches Mehrheitswahlrecht kämpften. Und niemand dachte politisch so radikal und visionär wie der heuer verstorbene Gerhard Hirschmann, der die Bundesländer auf drei zusammenlegen wollte – und später mit einer eigenen Liste gegen Hermann Schützenhöfer kandidierte. Dramen und spektakuläres Scheitern gehörten zu den Steirern auch dazu. Hermann Schützenhöfer und Franz Voves hassten und versöhnten sich – und waren plötzlich Vorzeigebeispiel für eine Reformpartnerschaft.

Kommentare