"Nur ein Prozent der Hochtechnologie-Metalle wird recycelt"

Auf Wien-Besuch: Ernst Ulrich von Weizsäcker tritt für eine neue technologische Revolution ein, die der Umwelt zugute kommen soll.
Klima-Blog. Nachhaltigkeitsforscher Ernst Ulrich von Weizsäcker forderte in Wien eine ehrgeizigere Kreislaufwirtschaft.
Stefan Hofer

Stefan Hofer

Mit Verve tritt Umweltforscher Weizsäcker für eine ehrgeizige Kreislaufwirtschaft ein

von Mag. Stefan Hofer

über Recycling

Cradle-to-Cradle, Circular Economy, Rebound-Effekt: In Windeseile fallen Fachbegriffe, spult Ernst Ulrich von Weizsäcker mit Schweizer Akkuratesse Punkt für Punkt seiner Vortragsfolien ab. Es scheint, als liefe ihm die Zeit davon. Oder besser gesagt: uns.

Auf Einladung der Austria Glas Recycling (AGR) hat der Grandseigneur der Umweltforschung am Dienstag in Wiener Café Landtmann unter dem Motto "Ehrgeizige Kreislaufwirtschaft" seine Antworten auf die brennenden ökologischen Herausforderungen unserer Zeit präsentiert. Sein Credo: "Eine Verfünffachung der Nutzungseffizienz von Materialien und Energie ist machbar."

Der gebürtige Züricher weiß, wovon er spricht. Der studierte Chemiker und Physiker ist unter anderem Ko-Präsident des " Club of Rome", Mitglied der europäischen Akademie der Wissenschaften und wird zu den 100 einflußreichsten Denkern der Welt gezählt.

"Nur ein Prozent der Hochtechnologie-Metalle wird recycelt"
ARA, honorarfrei

Dem Gastgeber, der (Glas-)Recyclingwirtschaft, streut Weizsäcker Rosen, man sei in Österreich weit fortgeschritten. Die AGR belegt dies mit gerne Zahlen: Die Österreicher sammelten im Vorjahr 234.000 Tonnen Altglas, im Schnitt also 27 Kilogramm pro Person - Einsparungen beim CO2-Ausstoß inklusive (detaillierte Zahlen dazu finden Sie auf der AGR-Website). Ergibt eine heimische Recyclingquote von 90 Prozent (EU-Durchschnitt: 70 Prozent).

Großbritannien sieht Weizsäcker dagegen als Scherbenhaufen in Sachen Recycling an, auf der Insel werden nur 19 Prozent der Materialen wieder der Kreislaufwirtschaft zugeführt.

99 Prozent der Hochtechnologie-Metalle werden nicht recycelt

Weizsäcker bleibt aber nur kurz beim Glascontainer stehen, spannt schnell den Bogen zu globalen wirtschaftlichen Problemen. Ein Dilemma: Weltweit werden 99 Prozent der Hochtechnologie-Metalle nicht recycelt. "Wertvolle Rohstoffe verschwinden im Müll", prangert Weizsäcker die Ressourcenverschwendung an.

Kurios wirkt auf den ersten Blick die Tatsache, dass "in der Vergangenheit alle Effizienzgewinne durch zusätzlichen Konsum wieder aufgefressen worden sind." Denn Effizienz sei die größte Versuchung, alles wieder zu verprassen, warnt Weizsäcker. Dieser sogenannte Rebound-Effekt (deutsch: Rückprall) sei schon seit 150 Jahren bekannt, und "solange Naturverbrauch nicht seinen Preis hat, haben wir keine Chance gegen den Rebound-Effekt."

Erhöhter Ressourcenumsatz und BIP-Wachstum gingen bisher Hand in Hand, jede neue Stufe der wirtschaftlich-technologischen Entwicklung habe sich "in die Umwelt hineingefressen". Dieser Zusammenhang gehöre entkoppelt, predigt der "Nachhaltigkeitspapst".

"Nur ein Prozent der Hochtechnologie-Metalle wird recycelt"
A haul truck carries iron ore at a Rio Tinto mine in the Pilbara region of Western Australia in this undated file handout. BHP Billiton and Rio Tinto said they have scrapped their proposed $116 billion iron-ore joint venture on October 18, 2010, caving in to opposition from regulators, steelmakers and major investors 16 months after unveiling the plan. REUTERS/Rio Tinto/Handout (AUSTRALIA - Tags: ENERGY BUSINESS) FOR EDITORIAL USE ONLY. NOT FOR SALE FOR MARKETING OR ADVERTISING CAMPAIGNS

Was tun? Politisch müsse dafür gesorgt werden, dass "Preise einigermaßen die ökologische Wahrheit sagen - die Märkte schaffen das nicht!", tritt Weizsäcker für eine dementsprechende politische Rahmengesetzgebung ein, EU-Gesetze müssten "nachhaltiger" werden. Wie das weltweit gehen soll - mit den USA als Verfechter des freien Markts - verrät Weizsäcker nicht.

UN-Bericht veröffentlicht

Der Zeitpunkt des Vortrags war gut gewählt. Am Dienstag Nachmittag hat der frühere mexikanische Staatspräsident Felipe Calderon als Leiter einer Expertenkommission einen UN-Bericht präsentiert, in dem die Aussöhnung zwischen den jahrelang als unvereinbar geltenden Bereichen Klimaschutz und Wirtschaftswachstum gesucht wird (eine Kurzzusammenfassung lesen Sie hier). Diese ist bekanntlich bitter nötig: 2013 erreichte der globale CO2-Ausstoß ein neues Rekordhoch.

Am Ende seines Vortrags hält Weizsäcker beruhigende Worte bereit: "Zum Glück ist die Erde erstaunlich robust."

PS: Den im Publikum vertretenen Unternehmern von Vöslauer, Schlumberger, Efko und Co. kredenzte man die Erfrischungen dann auch aus Glasflaschen. Bleibt zu hoffen, dass diese an die Befüller zurückgingen oder in einem der 78.700 hierzulande aufgestellten Altglas-Container entsorgt wurden.

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