Die überrannte Weltordnung

Feiern auf der Mauer.
Bernhard Hanisch

Bernhard Hanisch

Ich sah hin und weinte. Meine Freundin sah mich. Und weinte auch.

von Bernhard Hanisch

stieß mit Wildfremden an

Ich gebe es zu, ich habe mit ihnen allen angestoßen. Mit Verrückten, die sich johlend auf der Mauer sitzend, der Gefahr des plötzlichen Falls aussetzten. Mit wildfremden Menschen, die einander wahllos in die Arme liefen. Mit Grenzpolizisten, die aufgrund ihrer plötzlichen Überflüssigkeit ins Leere starrten. Was da passierte? Es war verdammt noch einmal das TV-Ereignis des Jahrhunderts. Auch, wenn die beeindruckenden Bilder erst mit einem Tag Verspätung in unsere Wohnzimmer gelangten.

Ergreifende Bilder, die den eigenen Bierkonsum bis zur Besoffenheit steigern sollten. Hochstimmung im gleichzeitigen Versinken in der Wohnzimmercouch, Ungläubigkeit, die den staunenden Gesichtsausdruck in ein blödes Grinsen abgleiten ließ. Melancholie mischte sich darunter, weil sie soeben überrannt wurde, jene Weltordnung, in der man schließlich aufgewachsen war.

Ich sah hin und weinte. Meine Freundin sah mich. Und weinte auch.

Alles war gut.

Bis eines Tages diese Typen rund um einen kleinen pfeifenden Kappenträger, die sich allesamt Scorpions nannten und die sich tatsächlich einbildeten, eine Rockband zu sein, die Hymne der Wende auf die Welt schütten mussten. Wind of Change. Immer und überall blies er uns um die Ohren. So dick konnte gar keine Mauer sein.

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