Me pongo las botas
Essen ist für mich zuallererst ein soziales Ereignis und zu allerletzt ein Mittel der Leistungsoptimierung.
Wenn dir das Spanisch vorkommt, dann liegst du goldrichtig. Und so geht es mir auch mit dem Thema Ernährung, ich verstehe die Aufregung nicht. Manchen Nahrungsmitteln werden ja geradezu paradiesische Eigenschaften zugeschrieben: Da gibt es Gemüse, das als Jungbrunnen wirkt, Vitamine und Minerale, die vor Krankheiten schützen, einen widerstandsfähiger, ausdauernder, leistungsfähiger machen undsoweiterundsofort. Ihr kennt das sicher alle. Aber auf der anderen Seite droht die Verdammnis: schlechte Fette, Cholesterin, rafffinierter Zucker, weißes Mehl, verstecktes Salz, Geschmacksverstärker und viel zu viele Kalorien - manchmal wundere ich mich, dass man gewisse Mahlzeiten überhaupt überleben kann. Zwischen diesen Extremen, den zigtausend Varianten der Zubereitung, verschiedenen Gütesiegeln, bio, naturnah, gekocht oder roh kannst du leicht die Orientierung verlieren und nach tausend gelesenen Seiten Fachliteratur findest du dich beim Therapeuten wieder, weil du eine Nahrungsphobie entwickelt hast... Das ist mir zu anstrengend. Ich bin ein bequemer Mensch. Ich esse, was mir schmeckt. Essen ist für mich zuallererst ein soziales Ereignis und zu allerletzt ein Mittel der Leistungsoptimierung. Meistens esse ich in der Kantine der Firma, zu Hause oder als Gast. Warum nicht drei Stück Kuchen essen, wenn sich die Gastgeberin viel Mühe gegeben hat und sich nun freut, dass es mir schmeckt, warum nicht auf Fleisch verzichten, wenn eine der Töchter überzeugte Vegetarierin ist? Aber: keine Läuferdiät, keine Nahrungsergänzungsmittel, keine Vitaminpillen... Ich esse Nudeln, wenn ich Lust darauf habe und nicht, weil ich mich vor einem Marathon noch mit Kohlehydraten mästen soll/muss. Ich ernähre mich also "ganz normal", esse wenig Fleisch, Wurst gar nicht, so gut wie kein Alkohol, sehr wenig Knabbereien, keine Lebensmittel aus Dosen. Das aber nicht, um irgendetwas zu erreichen oder zu vermeiden, sondern weil ich mich daran gewöhnt habe. In der Woche vor dem Marathon stelle ich meine Ernährung nicht um. Keine Experimente in letzter Minute, das kann schnell nach hinten los gehen. Vor und während dem Marathon esse ich nichts, trinken frühestens ab Kilometer 15. Um Missverständnissen vorzubeugen, möchte ich betonen, dass mein Ernährungsverhalten für mich das "Richtige" ist oder sich zumindest "richtig" anfühlt, andere Menschen haben andere Bedürfnisse. Jeder muss für sich selbst herausfinden, wie er mit diesem schwierigen Thema am besten zurechtkommt. Und nun noch zum Titel dieses blogs: Me pongo las botas kann man im Spanischen verwenden für: Ich hau mal so richtig rein (im Sinne von viel essen mit Genuss und ohne schlechtes Gewissen). Wörtlich übersetzt heisst es, ich ziehe mir die Stiefel an, oder, in meinem Fall eben die Laufschuhe ;-) Beides sollte kein Gegensatz sein, sondern sich harmonisch ergänzen. In diesem Sinne: !Qué aproveche! (Guten Appetit!)
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