Der erste Vizekanzler, der live auf Twitter zurücktrat

Michael Spindelegger wird in die Geschichte eingehen: Er war der erste ÖVP-Obmann, der live auf Twitter zurücktrat. Seine kurzfristig angesetzte Pressekonferenz überrumpelte so manchen herkömmlichen Medienkanal.
Philipp Wilhelmer

Philipp Wilhelmer

So modern hätten wir uns den Abgang von Michael Spindelegger gar nicht vorgestellt

von Philipp Wilhelmer

Über die Echtzeitübertragung eines Rücktritts auf Twitter

Breaking News ist die Königsdisziplin des Reporters: Wenn irgendwo ein Hochhaus einstürzt, die Erde bebt oder ein Terroranschlag Todesopfer fordert, geht es darum, schnell, präzise und umfangreich die ersten Informationen ans Publikum zu liefern. Und wenn unerwartet ein Vizekanzler zurücktritt? Dann spielen die Smartphones der Reporter die erste Geige. Der Kanal der Wahl: Twitter.

Im Fall der Kurzfrist-PK Spindeleggers entpuppten sich Journalisten-Tweets als schnellste Informationsquelle: Tritt Spindelegger jetzt wirklich zurück? Schon vor der PK wußte etwa ORF-ZiB-Innenpolitikchef Hans Bürger Bescheid und schickte die Neuigkeit in den Äther. KURIER.at twitterte die Nachricht bereits um 8.49 Uhr.

Im Fall eines Ereignisses mit Tragweite geht es um Sekunden. Und der Kurznachrichtendienst hat den Vorteil, dass die 140 Zeichen-Mitteilungen ohne Verzögerung online gehen, ganz so, als würde man ein SMS-Dauerfeuer an einen Vertrauten schicken. Dazu kommt, dass Bilder eingebettet werden können und mit Link Videos daran gehängt werden.

Ein Meister der Disziplin ist in Österreich etwa ATV-Reporter Martin Thuer, der als Allround-Journalist des Privatsenders nicht nur in Ton und Bild, sondern auch Tweet für Tweet erzählt, was gerade an wichtigen Ereignissen passiert.

Thür schickte in der anschließenden PK des scheidenden Parteichefs die wichtigsten Zitate im Dauerfeuer. Als die erste Agenturmeldung die Bildschirme kreuzte, hatte sich auf Twitter bereits der Staub gelegt.

Und bevor die ersten Fernsehbilder des grantigen Vizekanzlers A.D. über die Bildschirme flimmerten, hatte der ATV-Mann mit seinem iPhone5s bereits ein erstes Video mit den entscheidenden Worten des finalen Abgangs online gestellt. Newshungrige Passanten mit Smartphone in der Hand konnten sich ein erstes Bild der Inszenierung machen.

Spezialistenblase

Twitter ist in Österreich immer noch eine Spezialistenblase, die vor allem von Journalisten und deren Satelliten bevölkert wird, dennoch zeigen sich an diesem Dienstag zwei Phänomene: Journalisten sind zusehends starke eigene Marken, denen man als Professionist vertraut und deswegen folgt. Wird deren Job dann auch auf Twitter gut erledigt, wird der Ruf der Journalisten als vertrauenswürdige Informationsquelle gefestigt.

Daneben werden technologische und zeitliche Barrieren von den immer leistungsfähigeren Smartphones zuverlässig niedergerungen: Während etwa der ORF angesichts der Kurzfristigkeit der Pressekonferenz den Übertragungswagen nicht in die Stadt brachte (wo er in der engen Gasse vor dem Finanzministerium dem Vernehmen nach ohnehin kein Satellitensignal zusammengebracht hätte), gab es eben Live-Momente der Twitteria.

So modern hätten wir uns den Abgang von Michael Spindelegger gar nicht vorgestellt.

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