Ein unmoralisches Angebot mit Brad Pitt

Brad Pitt sorgte in Cannes für große Aufregung unter den Journalisten
Cannes-Blog, Teil 5: Wenn Journalisten mit eigenem Geld in Interviews mit Filmstars investieren sollen, dann liegt einiges im Argen.
Alexandra Seibel

Alexandra Seibel

Am Ende des Filmfestivals von Cannes macht sich allgemeine Erschöpfung breit. Beim vorletzten Wettbewerbsfilm "The Taste of Money" des Koreaners Im Sang-Soo schläft die Sitznachbarin schon vor Filmbeginn tief und fest und ratzt dann die gesamte Vorstellung durch, Mund offen.

Nicht, dass sie etwas versäumt hätte. Im Sang-Soo versucht mit seinem misslungenen Thriller-Melodram zwar augenscheinlich, so etwas wie eine allgemeine Kritik an einer geldgeilen Elite in Korea zu unternehmen. Dabei wird aber genau das, was kritisiert werden soll, erst richtig fetischisiert. Beinahe im Stil eines Softpornos umschleicht die Kamera teuer angezogene Menschen, die nicht wissen, wohin mit ihrem Geld, in ihrer Super-Villa: Im Mittelpunkt steht ein älteres, reiches Ehepaar, das sich schon längst hasst und wechselseitig betrügt. Irgendwann macht sich der Ehemann an die viel jüngere Hausangestellte heran und zeugt mit ihr ein Kind. Diese Begegnung wird als dramatische Liebesaffäre erzählt. Wenn daraufhin die verlassene Ehefrau das gleiche tut, den viel jüngeren Leibwächter in ihr Bett befiehlt und zum Sex abkommandiert, dann gilt das als große Ekelaktion: Der arme Jugendliche! Die alte Hexe! Vergewaltigung! Nach vollzogenem Akt muss sich der Bursche praktisch den Mund desinfizieren, so sehr graust ihm. Und das Publikum leidet sichtlich mit mit.

Was lernen wir daraus? Alte Mann und junge Frau: ganz normal. Alte Frau und junger Mann? Widerlich.

Pitt-Interview um 4000 Euro?

Für große Aufregung unter den Journalisten sorgte übrigens der Besuch von Brad Pitt an der Croisette. Pitt kam gemeinsam mit dem neuseeländischen Regisseur Andrew Dominik nach Cannes, um seinen über-stilisierten, ultra-coolen Thriller "Killing Them Softly" zu präsentieren. Im Anschluss an die offizielle Pressekonferenz gab es, wie immer, Einzel- und Gruppeninterviews. Nicht jeder Journalist ist würdig, in einem Gruppen-, oder gar einem Einzelinterview mit dem Hollywood-Royal sprechen zu dürfen. Normalerweise läuft es dann so ab, dass der jeweilige Verleiher eines Landes für ausgewählte Journalisten sogenannte Slots, sprich, Interviewplätze kauft. Im Gegenzug wünscht sich der Verleiher vom Journalisten eine Zeitungs- oder Magazingeschichte, die anlässlich des Filmstarts erscheinen und für möglichst große Werbung sorgen soll. Und so ein Slot kann ganz schön teuer werden. Die kolportieren Zahlen schwanken. Für die Teilnahme an einer Mini-Pressekonferenz mit Nicole Kidman müssen die Film-Verleiher – so wurde gemunkelt – pro Journalist 650 Euro berappen. Ein echtes Schnäppchen im Vergleich zum Preis eines Brad Pitt. Ein Einzelinterview mit Pitt koste an die 4000 Euro, so die Gerüchteküche. Aber nicht nur das: in Cannes sei es nun zu der absurden Situation gekommen, dass Pitts Publicity-Mann einem deutschen Journalisten ein derartiges Interview für 4000 Euro angeboten habe.

Anders gesagt: nicht mehr die Verleiher oder die Auftraggeber des Journalisten hätten den Slot bezahlt, sondern vielmehr wäre der Journalist gezwungen gewesen, quasi in sich selbst zu investieren, die Zeit mit Pitt zu kaufen und dann zu hoffen, das Interview nachher möglichst ertragreich verkaufen zu können.

Dazu kam es allerdings nicht. Ein Aufschrei sei durch die empörte deutsche Kollegenschaft gegangen, und der besagte Journalist, der den Preis schon bezahlen wollte, zog unter Druck zurück. So zumindest wurde es in abendlicher Tischrunde berichtet. Sollte diese Geschichte aber tatsächlich stimmen, muss man sich schon fragen, wohin das führen soll: der Journalist als Kleinunternehmer, der mit möglichst viel Kapital in die eigene Geschichte investiert? Und wer das Pech hat, freier und vielleicht wenig betuchter Journalist zu sein, kann sich dann die Interviews nicht mehr leisten? Und schließlich die Königsfrage: Kann und will man kritische Interviews führen, wenn man vorher viel Geld dafür bezahlt hat?

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