Blaue Regierungsbeteiligung: Albtraum oder Notwendigkeit?

Martina Salomon

Martina Salomon

Um demokratische Normalität mit Möglichkeit zu politischem Wechsel herzustellen, gibt es leider nur eine Möglichkeit.

von Dr. Martina Salomon

über eine blaue Regierungsbeteiligung

Wer gezwungenermaßen seit Jahrzehnten die Große Koalition betrachtet, weiß: Diese Regierungskonstellation sollte nur ein Ausnahmefall sein. In der fernen Nachkriegszeit sehr begründet, wurde sie mittlerweile zur Never-ending Story, die alle Bereiche durchdringt und lähmt.

Das liegt an der FPÖ, aber nicht nur. Um demokratische Normalität mit der Möglichkeit zu politischem Wechsel herzustellen, gibt es leider nur eine Möglichkeit: Rot-Blau bzw. Blau-Rot, zumindest vorübergehend. Auch wenn dabei einigen – von der Industrie bis zur "Sektion 8" der SPÖ – schlecht wird. Doch die Wählerschichten der beiden Parteien ähneln einander, und auch sachpolitisch gibt es Überschneidungen. In der Flüchtlingspolitik etwa unterscheidet sich die Doskozil-SPÖ kaum von der FPÖ. Zugegeben, manch anderes, etwa eine gemeinsame Frauenpolitik, wäre nicht leicht. Aber auch da dürfte man im roten Gemeindebau eher den Pascha-Blauen als den Freundinnen Renate Brauners zustimmen.

Rot-Blau ist einfacher

Nur die SPÖ wäre imstande, die Freiheitlichen wieder auf das ihnen gebührende Normalmaß zu schrumpfen, ohne dass der Faschismus ausgerufen wird, wie das bei Schwarz-Blau der Fall wäre. Und auch wenn die SPÖ derzeit ein Bremsklotz bei etlichen Reformen ist – von Pension bis zu realistischen Flüchtlingsregelungen – sind es doch international oft die Sozialdemokraten, die die wirklich harten Dinge durchsetzen. Siehe die Schröder’sche Agenda 2010 in Deutschland und die schwedische Sozialstaatsreform unter Göran Persson. Die SPÖ hätte auch deshalb größere Durchsetzungskraft, weil sie die Proteste von ÖGB und AK (die sich oft wie rote Vorfeldorganisationen benehmen) besser steuern könnte. Bei Schwarz-Blau oder Blau-Schwarz würden diese wieder mit Trillerpfeifen über den Ring ziehen. Unter Rot-Schwarz macht sich die Kanzlerpartei leider gleich selbst zur populistischen Opposition. Klar, damit treibt man den Zweiten in der Regierung vor sich her, erzeugt aber auch Politikverdrossenheit. Das nutzt – erraten – der FPÖ.

Moralische Erhöhung

Bisher hat sich die SPÖ ihre (schrumpfenden) Mehrheiten gesichert, indem sie sich im Falle des Falles auf die helle und die FPÖ auf die dunkle Seite der Moral stellte. Das Kalkül ging auf. Auch Bürgerliche meinten, nur mit einer Häupl- (und bei der Hofburg mit einer Van-der-Bellen-)Wahl das "Böse" verhindern zu können. Doch die Dämonisierung macht die FPÖ für einen wachsenden anderen Teil der Wähler noch interessanter. Sie erhoffen sich von den Schockwellen eines Strache-Siegs einen Politikwechsel, ohne groß zu überlegen, ob die Partei regierungsfähig wäre. Wer die Erstarrung im Land beklagt, sollte daher die FPÖ nicht taxfrei ins Schmuddel-Eck abschieben, sondern sich Gedanken darüber machen, wie man sie in die Mitte holt. Einige Experten bringen bereits diskret ihr Sachwissen für die Partei ein. Aber die FPÖ-Personaldecke ist noch dünner als in der Prä-Schwarz-Blau-Ära. Sollte Norbert Hofer nicht ohnehin in die Hofburg einziehen, hat er sich zumindest als Personalreserve aufgebaut.

Im Hintergrund strecken sowohl SPÖ als auch ÖVP längst die Fühler zu Strache & Co. aus. Na und? Eine Demokratie lebt davon, dass Machtstrukturen nicht einzementiert sind.

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