Bitte mehr Konsens, weniger Parteiräson

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Beim Poker um die Topjobs der EU geht ohne Deutschlands Kanzlerin Merkel gar nichts.
Ingrid Steiner-Gashi

Ingrid Steiner-Gashi

Durchwachte Nächte, todmüde Regierungschefs, vor Erschöpfung wankende Journalisten – die Szenerie im Brüsseler EU-Ratsgebäude erinnert an die Zeiten heikelster Krisen. Damals, als es galt, die Währungsunion nicht zerbrechen zu lassen oder die akuten Migrationsströme zu bewältigen. Und jetzt also wieder – fortgesetzter Nervenkrieg der europäischen Staats- und Regierungschefs, dieses Mal beim Kampf um die wichtigsten Jobs in der Europäischen Union.

Was sich anfühlt, als würden die Mächtigsten in Europa hinter uneinsichtigen Türen geheim feilschen, ist nichts anderes als ein mühsames Austarieren der vielfältigen, oft auseinanderstrebenden Kräfte in Europa. Verhandlungen für eine nationale Regierungsbildung sind auch nicht anders – langwierig und zäh, alle Länder, Geschlechter, Bünde und Interessengruppen müssen gleichmäßig bedacht werden. Wenig überraschend, dass dies auf ungleich größerer politischer Bühne auch ungleich schwieriger wird. Mit seiner Übergangsregierung spielt Österreich in diesem Ringen um Macht und Einfluss in Europa nur eine Nebenrolle. Zeremonienmeisterin ist hingegen einmal mehr Angela Merkel. „Madame Europa“ bewies bei der Suche nach einem europäischen Kompromiss den Mut, sogar ihre eigene, konservative Parteienfamilie (EVP) vor den Kopf zu stoßen, indem sie sich den Sozialdemokraten Frans Timmermans als nächsten Kommissionschef vorstellen kann. So viel europäischen Geist, im Sinne eines für alle tragfähigen Kompromisses, da können viele von Merkels Parteifreunden noch nicht mit.

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