Zwei Jahrestage fallen in dieser Woche zusammen: ein Jahr Ukraine-Krieg und drei Jahre Corona-Pandemie (in Österreich). Beide haben – in ganz unterschiedlicher Weise, aber in vergleichbarer Wucht – bisherige Gewissheiten erschüttert, geglaubte Sicherheiten schmerzhaft brüchig erscheinen lassen. Und die bereits durch die vorangegangenen Krisen und Verwerfungen aufgetretene Spaltung der Gesellschaft, die Polarisierung des öffentlichen Diskurses weiter vorangetrieben.
Unter Symbolpolitik fällt gewiss auch jener „Dialogprozess“, welchen Bundeskanzler Nehammer mit Blick auf die Pandemie kürzlich ausgerufen hat. Von „Hand ausstrecken“ war da die Rede und davon, die „gesellschaftlichen Wunden zu heilen und das Trauma zu bewältigen“.
Was da genau auf uns zukommt, wissen wir noch nicht. Aber die Wortwahl der Ankündigung stimmt bei allem Verständnis für das Anliegen auch ein wenig skeptisch. Gewiss, wer könnte gegen Versöhnung, Aufarbeitung und ein „neues Miteinander“ (© Gesundheitsminister Rauch) sein? Symbolpolitik ist nämlich – auch dies muss gesagt werden – eine heikle Gratwanderung, bei der man leicht in den Polit- und Gesinnungskitsch abstürzen kann.
Politik soll Orientierung geben, Wegmarken errichten – aber sie ist keine therapeutische Veranstaltung, keine große gesamtgesellschaftliche „Familienaufstellung“ oder Ähnliches. Und sie soll erst recht nicht – auch das eine beliebte Phrase aus einschlägigen Sonntagsreden – „Gräben zuschütten“. Eine funktionierende demokratische Öffentlichkeit zeichnet sich vielmehr durch den rechten Umgang mit den Gräben und Bruchlinien aus, die es in einer offenen Gesellschaft zwangsläufig gibt. Wer hingegen Gräben zuschüttet, sorgt dafür, dass sie bei nächster Gelegenheit umso tiefer aufklaffen.
Als Korrektiv kann ein Aperçu von Karl Kraus dienen, wonach er von der (Stadt-)Politik eine funktionierende Infrastruktur erwarte, aber „gemütlich bin ich selbst“. Das mag – siehe oben – allzu nüchtern gedacht sein. Aber im Kern ist es schon richtig: Politik ist nicht für unsere „Gemütlichkeit“, nicht für Wohlbefinden, Glück, Zufriedenheit zuständig – sondern für das Setzen von deren Rahmenbedingungen. Das darf dann auch entsprechend inszeniert werden.
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