Korruptionsvorwürfe, Pandemie und ein giftiges Klima, besonders in den (un)sozialen Medien, haben das Image aller Volksvertreter tief in den Keller rasseln lassen. Der Bürger ist zwiespältig: Einerseits delegiert er gern alles an den Nanny-Staat, Eigenverantwortung ist für viele ein Fremdwort. Andererseits pflegt er innig seine Stammtisch-Vorurteile gegenüber der Politik. In Summe ergibt das eine üble Melange aus aggressiver Besserwisserei und Klischees, die nicht mehr hinterfragt werden dürfen, woran, zugegeben, auch die Medien nicht unschuldig sind.
Wäre es nach der europäischen Elite gegangen, hätte es keinen Trump-Sieg, keinen Brexit und keine Orbán-Wiederwahl gegeben. Warum das alles dennoch passiert ist, verdient einen Blick unter die Oberfläche. Man könnte draufkommen, dass der von den „Meinungsbildnern“ gefeierte Barack Obama außenpolitisch spektakulär gescheitert ist (Naher Osten, Nordkorea, Russland!). Der Brexit wurde leider auch von überheblich agierenden EU-Institutionen befördert. Man wird aufpassen müssen, nicht osteuropäische Länder auf ähnliche Weise vor den Kopf zu stoßen. Dazu zählt auch eine EU-Gerichtsbarkeit, die Migrationsströme fördert. Wer sich dagegen wehrt, wird pauschal diskreditiert. Gleichzeitig feiert man Kanada als leuchtendes Vorbild. Dabei wählt das Land beinhart aus: Arbeitswilligkeit, Bildung, Englisch sind Voraussetzung für Zuzug, die Besten werden aktiv akquiriert. Österreich und Deutschland haben sich hingegen eher auf soziale Mildtätigkeit spezialisiert.
Ein „positives Vorurteil“ besteht in Österreich auch gegenüber der Neutralität. Sie gilt als unumstößlich, wurde aber nie mit Leben erfüllt, was umfassende Landesverteidigung (also Anstrengung) bedeutet hätte. Im Gegenteil: Bruno Kreisky, der 1970 mit dem (populistischen) Versprechen, den Grundwehrdienst zu verkürzen, die Wahl gewann, wird bis heute als Held gefeiert. Interessanterweise geraten diesbezüglich aber gerade ein paar fest gefügte Klischees ins Wanken. Der gütige Pastor und deutsche Altbundespräsident Joachim Gauck, sozusagen fleischgewordener Friedensapostel, hat bei Markus Lanz im ZDF bekannt, Berlin im Falle eines Angriffs mit der Waffe in der Hand zu verteidigen. Der pazifistische Ansatz sei zwar „ehrenvoll“, zementiere aber die Dominanz des Bösen.
Fehlt jetzt eigentlich nur noch, dass in Österreich über ernsthafte Sicherheitspolitik, eine realistische Energiepolitik und die Chancen der Gentechnik neu diskutiert – und entschieden – würde. Aber dazu geht es uns wohl noch zu gut.
Kommentare