Ich möchte kein besserer Mensch sein

Barbara Kaufmann

Barbara Kaufmann

Ich möchte kein besserer Mensch sein.

von Barbara Kaufmann

über Erfolg

Erfolg kann langweilig sein. Vor allem, wenn man darüber spricht. Zumindest für jene, die es sich anhören müssen. Vielleicht auch für die Erfolgreichen selbst.

Doch wann ist es eigentlich die Norm geworden, unter Bekannten miteinander Gespräche zu führen, als wäre man der eigene Pressesprecher?

Erst unlängst beim Treffen mit einem alten Schulkollegen habe ich mich das wieder einmal gefragt. Er hat in der Zwischenzeit eine beachtliche Karriere gemacht und wie er das hingekriegt hat, war dann auch sehr detailliert das Thema während der Suppe und des Hauptgangs. Er hatte wohl eine brillante Idee für eine "Neustrukturierung" der Abteilung und dadurch die "Arbeitsprozesse" optimiert, was sich enorm positiv auf "Output" und "Workflow" auswirkte.

"Es wird dich vielleicht überraschen", sagte er, "aber meine Social Skills waren dabei mein Asset." Es überraschte mich tatsächlich, hatte er mir doch in der Schule als Sitznachbar immer, wenn ihm was nicht passte, anstatt darüber zu sprechen, wortlos in die Haare gespuckt.

"Was ganz oben"

Aber nach der Schulzeit ist vor dem Leben. Und bei den einen wächst sich etwas aus, bei anderen wächst etwas zu. Die Unbeschwertheit zum Beispiel mit einem Dickicht aus Verzweiflung. Was weiß man schon voneinander, nur weil man ein paar Jahre ein Klassenzimmer geteilt hat?

Das Dessert schien mein Gegenüber zu verstimmen, vielleicht hatten ihn auch die vielen leeren Floskeln nicht satt werden lassen, jedenfalls schwang seine Stimmung plötzlich radikal um. Alles, worauf er noch vor zehn Minuten stolz gewesen war, schien nichts mehr wert. Einer der Chefs würde sein Weiterkommen aus Neid verhindern, ein anderer hätte etwas gegen ihn, weil er ihm einmal öffentlich widersprochen habe.

"Ich werde dort nichts mehr werden", seufzte er niedergeschlagen beim letzten Löffel Tiramisu. "Was", fragte ich, weil ich diese Phrase schon so oft gehört hatte, "möchtest du denn werden?" "Na, was ganz oben." "Aha", sagte ich, "und was willst du dann machen?"

Er schwieg. Auch diese Reaktion kannte ich.

Ich glaube ja, die meisten Menschen wollen gar nicht die Aufgaben ihres Chefs, nicht einmal seine Funktion. Sie wollen etwas anderes. Wiedergutmachung. Im Chefbüro sitzen mit der guten Aussicht. Als erste begrüßt werden. Vorgereiht werden am Schalter. Gut behandelt werden. Schöne Reisen machen. Manchmal auch Revanche. Rache. Das werden dann die unglücklichsten Chefs, die dadurch wieder ihre Mitarbeiter unglücklich machen. So wie der Chef meines Bekannten. "Aber", fragte er mich, "willst du nicht weiterkommen? Besser werden? Erfolgreicher? Fitter? Gescheiter? Gesünder? Einfach ein besserer Mensch?"

"Du klingst wie eine Werbung für Gesichtscreme", sagte ich, und: "Nein. Ich möchte eigentlich kein besserer Mensch sein. Es ist meistens schon schwer genug, wenn man versucht, ein guter zu sein."

Dann haben wir uns ein Glas Wein bestellt und geredet, richtig geredet. Über seine Tochter und über unsere Kindheit und den Obstgarten seiner Oma. Und es ist doch noch ein netter Abend geworden. Ganz ohne Floskeln.

barbara.kaufmann@kurier.at

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