Aus Mangel an Vertrauen

Wie ÖVP und SPÖ nach der Nationalratswahl miteinander regieren sollen, ist schleierhaft.
Daniela Kittner

Daniela Kittner

Sebastian Kurz führt jetzt de facto eine ÖVP-Alleinregierung. Die Fachleute, die die FPÖ-Minister ersetzen, haben auf ihrem neuen Arbeitsplatz von der ÖVP ausgesuchte Büroleiter und von der ÖVP ausgesuchte Pressesprecher vorgefunden. Das bedeutet: Sowohl die interne Arbeit als auch die Kommunikation nach außen werden vom Stab des Bundeskanzlers dirigiert. Dass der frühere rote Sektionschef Walter Pöltner unter diesen Umständen den Posten des Sozialministers angenommen hat, erhöht nicht das Vertrauen der SPÖ zu Kurz, wie es gedacht war, sondern erregt Misstrauen der SPÖ gegenüber Pöltner.

Zwischen ÖVP und SPÖ, so scheint’s, ist jedwede Gesprächsbasis kaputt. Das ist die eigentlich neue Qualität an der aktuellen Situation: Die FPÖ ist zwar weg, und dennoch gibt es keine Vertrauensachsen zwischen Rot und Schwarz. Und selbst wenn es sie gibt, haben sie nicht mehr den Einfluss, den sie früher einmal hatten.

Beispiel Landeshauptleute: Peter Kaiser und Markus Wallner kommen ganz gut miteinander aus. Das Trio im Osten – Mikl-Leitner, Ludwig und Doskozil – sogar sehr gut. Aber Kurz hat die Frontstellung Länder gegen Bund insofern gesprengt, als er bei seinen Regierungsvorhaben zwar auf die schwarzen Länder Rücksicht nimmt, nicht aber auf die roten. Das treibt einen Keil in die Länderkameraderie.

Ähnlich verhält es sich bei den Sozialpartnern. Kurz verwöhnt die Wirtschaft und montiert die Gewerkschafter ab. „Das sät Misstrauen zwischen uns und treibt uns immer weiter auseinander“, erzählt ein schwarzer Kämmerer.

Stillstand beendet

Kurz rechtfertigt seine Vorgehensweise stets mit dem Verweis auf den Stillstand und die Dauerblockaden, die unter Rot-Schwarz herrschten. Es sei legitim, dass eine Regierung regiert, ihre parlamentarische Mehrheit nutze und was weiterbringe.

Da ist schon was dran.

Nur: Die parlamentarische Mehrheit hat er im Moment nicht, und es gibt eben auch keine Achsen mehr, die das rot-schwarze Verhältnis reparieren könnten. Unter diesen Umständen ist schwer vorstellbar, wie diese beiden Parteien nach der Wahl zu einer Koalition zusammenfinden sollen. Die SPÖ ist bis zur Stunde wild entschlossen, Kurz am Montag im Nationalrat das Vertrauen zu versagen. Das wäre ein in Österreich bisher einmaliger Vorgang.

Kurz tut aber auch gar nichts dazu, Vertrauen zu schaffen. Dahinter steckt Wahltaktik: Er provoziert die SPÖ, und deren postwendende Drohung, ihn zu stürzen, mobilisiert seine Anhänger. Je mehr die EU-Wahl wie eine Nationalratswahl aussieht, bei der es um den Kanzler geht, umso besser für die ÖVP.

Am Sonntag wird man sehen, wie viel Vertrauen er bei seinen Wählern schafft.daniela.kittner

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