Aufmüpfige Österreicher sind eine gute Nachricht

Aufmüpfige Österreicher sind eine gute Nachricht
Die Bevölkerung ist misstrauischer geworden. Das ist nicht schlimm, sondern ein Handlungsauftrag für Politiker.
Michael Hammerl

Michael Hammerl

Im ersten Reflex schrillen die Alarmglocken: Eine neue Studie von Meinungsforscher Peter Hajek zeigt, dass die Österreicher der politischen Elite misstrauen. Sie haben sich demnach seit den 1970ern von obrigkeitshörigen Untertanen zu "misstrauischen Staatsbürgern" gewandelt. Dieser misstrauische Staatsbürger attestiert sich selbst eine hohe politische Kompetenz  und sagt Politikern eher ungute Absichten nach.

Bei der Bundespräsidentschaftswahl schaffte es möglicherweise das eine oder andere Negativexemplar dieses Typus, der zuweilen unter chronischer Selbstüberschätzung zu leiden hat, auf den Stimmzettel. Kombiniert mit dem Bild des radikalisierten Bürgerlichen auf Corona-Demos muss man stark widerstehen, keine voreiligen Schlüsse über den Zustand im Lande zu ziehen. Die patscherten  und teils gefährlichen Aktionen der Klima-Klebeaktivisten runden das Bild des "besorgten Bürgers" und "Selberdenkers" ab, der vermeintlich jede politische Himmelsrichtung gekapert hat.

Aber das ist ein Trugschluss: Die autoritären Tendenzen haben in Österreich seit den 1990ern kaum zugenommen, 84 Prozent stehen hinter der Demokratie. Infolge von Finanz-, Migrations-, Gesundheits- und Teuerungskrisen ist das eine erfreuliche Nachricht. Dass die Bürger selbstbewusster geworden sind, liegt zudem an mehreren Positivfaktoren. In den vergangenen fünf Jahrzehnten hat sich viel zum Guten gewandelt: unabhängige Medien statt Parteizeitungen und Rot-Schwarz-Funk, digitaler Wandel und nicht zuletzt höhere Bildungsstandards.

Und einen großen Teil des Vertrauensverlustes muss sich die Politik auch selbst zuschreiben. Gegenseitige Negativkampagnen der einst staatstragenden Großparteien bereiten der FPÖ wieder einmal ein Umfragehoch. Geheime Abmachungen über Spitzenjobs sind im Jahrhundert der digitalen Transparenz eine naive Chupze – da sowieso nichts geheim bleibt. Und ein absolutes Negativspeispiel für falsche Prioritätensetzung bot zuletzt die Kärntner Landes-SPÖ. Sie wollte ein Wörterbuch für "diskriminierungsfreie Amtssprache" einführen, das den Sprachgebrauch einer 99-prozentigen Mehrheitsbevölkerung infrage gestellt hätte.

So gesehen: Mehr Miteinander, Transparenz und klare Lösungen braucht das Land. Die Basis ist kritischer geworden, aber sie ist stabil.

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