Und jetzt bleiben die Handys mal in der Hosentasche. Sie versäumen nichts – versprochen: Die Worte von Chris Martin beim Coldplay-Konzert in Wien waren eindrücklich, zeigten jedoch bei etlichen Fans keine Wirkung. Schließlich muss sich die Generation Tiktok ohne Unterlass selbst filmen und alle paar Sekunden ein neues Kürzestvideo anklicken, um es sofort wieder wegzuwischen. Man ahnt, was Lehrerinnen und Lehrer im Unterricht erleiden. Und man ist besorgt, was diese kollektive Aufmerksamkeitsstörung mit einer Gesellschaft macht: mit ihrem Gedächtnis, ihrer Bildung, ihren Augen, ihrer Konzentrationsfähigkeit, ihrer Frustrationstoleranz und der Möglichkeit, sie unbemerkt fernzusteuern.
An etlichen Schulen wird daher ein Handyverbot heftig diskutiert und sogar vollzogen – durchaus nicht immer zur Freude der Eltern, die oft genug selbst kein gutes Vorbild sind. Schon Kleinstkinder werden mit dem Mobiltelefon ruhiggestellt, man will schließlich selbst in Ruhe auf Insta nachschauen, was da draußen im echten (?) Leben gerade abgeht. Wir sind alle süchtig – ja, auch Professionisten, die manchmal fast im Minutentakt auf Social Media ihre Wichtigkeit hinausplärren.
Erst seit 30 Jahren gibt es flächendeckend Mobiltelefone, vor 20 Jahren wurde Facebook gegründet. Was zur Folge hat, dass Schüler damit deutlich besser umgehen können als ihre Lehrerschaft. So hat man in Schulen zwar flächendeckend iPads verteilt, aber bezieht diese viel zu oft gar nicht sinnvoll in den Unterricht ein. Wir haben großartige Werkzeuge mit ungeahnten Kommunikationsmöglichkeiten zur Hand bekommen. Aber es gibt im Kleinen wie im Großen noch unglaublich viel zu tun, um schädliche Entwicklungen zu verhindern, auch für die Politik: Hassrede muss wie Kinderpornografie herausgefiltert, verboten und verfolgt werden. Schulen und Eltern haben Mitverantwortung dafür, dass Jugendliche nicht endlos in virtuellen Welten versinken und ihren Horizont auch abseits von Tiktok-Videos erweitern – so schwierig das speziell bei Pubertierenden ist!
Der junge Extremist, der möglicherweise einen Terroranschlag auf das Swift-Konzert plante, hat sich im Netz radikalisiert. Die Sängerin selbst enttäuschte ihre Fans mit tagelangem Schweigen und einer eher dünnen Botschaft am Donnerstag.
Der Coldplay-Frontman hingegen sprach zwischen zwei Liedern von „all den jungen Menschen, die einer Gehirnwäsche unterzogen und zu dummen Taten getrieben werden“, denen das Stadion dennoch Liebe schicken sollte. Wie wohltuend, wenn coole Prominente das Monströse verkleinern – und appellieren, auch einfach einmal nur zuzuhören und zuzuschauen, den Moment zu genießen ohne gleich wieder aufs Handy zu schauen. Können wir das überhaupt noch?
Kommentare