Aufklärung war gestern – jetzt ist Biedermeier

Wofür bekommt man in Österreich Applaus – wofür nicht?
Martina Salomon

Martina Salomon

Statt Liberalität und Weltoffenheit herrscht Sehnsucht nach Abschottung.

von Dr. Martina Salomon

über das neue Biedermeier

Die wirtschaftspolitischen Gespräche des Forum Alpbach führten es diese Woche vor Augen: Als der frühere griechische Finanzminister Yanis Varoufakis ein bedingungsloses Grundeinkommen forderte, finanziert von einem Fonds, in den Firmen (per Enteignung?) einen Teil ihres Kapitals einzahlen sollten, war das Publikum vollkommen angetan. Und die erfolglose politische Episode des Linkspopulisten? Vergessen!

Parallel dazu machte sich Clemens Fuest, neuer Chef des deutschen Wirtschaftsforschungsinstituts ifo, weitaus weniger Freunde: Es sei absurd, wenn Exportländer wie Österreich und Deutschland gegen TTIP seien, sagte er und fragte provokant: "Wovon wollen wir leben? Vom selbst gezüchteten Rucolasalat am Hinterhofbalkon?" Außerdem meinte Fuest: "Wir Deutschen sind Spezialisten darin, neue Technologien schlecht zu finden."

Das trifft auch auf die Alpenrepublik zu. Mit einem Ja zu grüner Gentechnik und Freihandel kann man den kollektiven Blutdruck jedes x-beliebigen Auditoriums in die Höhe treiben. Das ist wohl auch der Grund, warum sich Kanzler und Vizekanzler für einen peinlichen Populismus-Wettlauf entschieden haben, der sogar das längst ausverhandelte Abkommen mit Kanada – CETA – infrage stellt. Es soll am 27. Oktober bei einem EU-Kanada-Gipfel unterzeichnet werden. Wollen wir uns international mit Anlauf eine blutige Nase holen? Wurscht, innenpolitisch macht man damit "Meter".

Billige Punkte machen

Volle Zustimmung löst auch aus, wer behauptet, dass die Armen immer ärmer werden (was nach Zurechnung der Sozialleistungen nicht stimmt). Über zwei Punkte herrscht hierzulande nämlich Konsens: Reiche (Unternehmer!) sind immer Gauner und Arme immer unverschuldet arm. Fast einen Shitstorm erntete daher der Chef des Verpackungskonzerns Mondi, Peter Oswald, für seine im KURIER geäußerte Meinung: dass eine Gesellschaft, die dem Leistungsprinzip weniger Bedeutung beimisst, nicht jedes Jahr auf großartige Reallohnerhöhungen hoffen könne. Natürlich klingt das polemisch, weil in vielen Branchen die Arbeit auf immer weniger Köpfe verteilt wird. Aber wenn man betrachtet, wie lange studiert und wie jung in Pension gegangen wird und welche Schwierigkeiten Firmen bei der Lehrlingssuche haben, dann könnte da was dran zu sein.

"Neue Aufklärung" war heuer das Motto von Alpbach. Gerade die gegenteilige Entwicklung ist im Gange. Statt Liberalität und Weltoffenheit herrscht Sehnsucht nach Abschottung – was natürlich auch eine Folge der teilweise gescheiterten Integrations- und Zuwanderungspolitik ist. Wer auf die EU schimpft, macht sich beliebt. Wobei: Es war nicht die EU, sondern vor allem ein Satz der deutschen Kanzlerin, der unerfüllbare Hoffnungen in Flüchtlingslagern weckte.

Auch dass wir 50 Prozent unseres erwirtschafteten Geldes gleich wieder abliefern müssen, liegt nicht am "Superstaat Brüssel", sondern am eigenen "Superstaat", wie Ulrich Kater, Chef-Volkswirt der Deka-Bank, in Alpbach anmerkte. Dafür gab es übrigens Applaus. Aber er hatte auch nicht dazugesagt, wie man das ändern kann: mit mehr Selbstverantwortung des Bürgers und einem weniger überfürsorglichen Staat zum Beispiel.

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