Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Pandemie-Politik aufgearbeitet werden muss: Ein außerordentliches Ereignis zog zuvor unerhörte Maßnahmen – Ausgangsbeschränkungen, Wirtschaftsschließungen, Reiseverbote – nach sich. Dass es hier politische Fehler gegeben hat, ist anzunehmen – und auch an und für sich kein Totalschaden. Solange man fürs nächste Mal daraus lernt, und besser gerüstet auf das nächste Großproblem zugehen kann. Niemand hatte zuvor eine derartige Pandemie abgewickelt, man fuhr auf Sicht – und im Rückspiegel muss man nun gewissenhaft und gemeinsam prüfen, wo man dagegen gefahren ist.
Es gibt leider aber auch den begründeten Verdacht, dass diese Aufarbeitung schief gehen wird. Unabdingbar fürs Gelingen wäre nämlich etwa, im Vorfeld wesentliche Eckpunkte außer Streit zu stellen – und jeden Anschein, dass mit dieser Aufarbeitung wieder, seufz, nur politisches Kleingeld gewechselt werden soll, offensiv und gemeinsam zu vermeiden.
Viele jener, mit denen man sich nun versöhnen will, wie der Kanzler sagte, sind zur FPÖ gewandert. Die Partei wird alles daran setzen, diese Enttäuschten und Verärgerten zu halten. Wie das funktioniert, das weiß man seit vielen Jahren. Die anderen Parteien sehen sich zugleich mit Wählerverlusten konfrontiert – und mit Verlockungen, die einfachsten Wege zu gehen, um diese zurückzugewinnen.
Dabei wäre eine ganz andere Kommunikationsnotwendigkeit da – nämlich zu sagen: Ja, die Politik und ja, die Medien haben Fehler gemacht. Aber das alles ist kein ausreichender Grund (gewesen), sich, wie viele es auch getan haben, aus dem demokratischen Prozess ganz auszuklinken.
Bringschuld auch der Bürger
Beziehungsprobleme kann man nur gemeinsam lösen, an alle, die es wollen, braucht es eine Einladung, das zu tun. Wer sich aber scheiden lassen will oder die Beziehung bereits einseitig beendet hat, der muss zwar angesprochen werden, darf dann auch nicht Maßstab für die Zukunft sein. Davon gibt es zu viele, das haben die Corona-Demos gezeigt. Die poröse Grenze vom besorgten Bürger zum Verschwörungsfanatiker muss dringender geschlossen werden als die Schengengrenze.
Das aber tut man nicht, indem man die Pandemiepolitik gleich zum Start des „Versöhnungsprozesses“ als „expertenhörig“ (Nehammer) benennt und von den Experten nun „Erklärungen“ verlangt. Das ist guter Stoff für jene, die immer schon glaubten, selbst die besseren Experten zu sein.
Das Zuschütten von Gräben ist ein notwendiger, aber überaus heikler Prozess. Es braucht Zusammenhalt und Demut auf allen Seiten, es braucht Konsens und kühlen Geist. Wer dies alles leichtfertig verspielt, wird vielleicht bei der nächsten Wahl erfolgreich sein, hat aber für Österreich an einem entscheidenden Punkt versagt.
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