„Rotes Gsindel“ hat die seinerzeitige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner vor sechs Jahren in einer Krisensituation der damaligen SPÖ/ÖVP-Koalition via Textnachricht geschrieben. Jetzt hat sie sich dafür entschuldigt, der Ausdruck wird dennoch an ihr picken bleiben. Früher fand man so etwas lustiger, manche durften es sogar öffentlich und von Applaus begleitet sagen – wie seinerzeit Michael Häupl, der von „mieselsüchtigen Koffern“ sprach. Das ist alles eher unelegant – und wird vom politischen Gegner letztlich auch zum eigenen Schaden ausgeschlachtet, weil sich die Politikverdrossenheit damit weiter epidemisch ausbreitet.
Aber das sind nicht unsere Hauptprobleme. Jenseits unseres Tellerrands ballen sich heftige „Gewitter“ zusammen. Russland bereitet eine „nukleare strategische Übung“ vor, der Kalte Krieg ist zurück. Leider betrifft uns das. Österreich würde Sanktionen spüren, die einer Aggression Russlands gegen die Ukraine folgen. Viele österreichische Firmen haben jahrzehntelang hervorragend in Russland (und in der Ukraine) verdient und tun es noch. Österreichs Gas-Speicher sind außerdem nicht so gut gefüllt, dass man auf den Hauptlieferanten Russland verzichten kann. Ein Blackout würde uns schlimmer treffen als die aktuelle Pandemie. Diese wiederum hatte nicht nur Einschränkungen des täglichen Lebens zur Folge, sondern brachte ganze Branchen in Atemnot, allein an den Lieferschwierigkeiten werden Firmen und Konsumenten noch länger leiden und teuer dafür bezahlen.
Alles in allem ist das ein besonders ungünstiger Moment für mangelnde Stärke der EU-Politik. Ausgerechnet jetzt hat Deutschland seine Führungsrolle abgegeben. Aber die EU ist auch militärisch durch den Abschied der Briten schwächer denn je. Russland lässt schon lange spüren, wie gut es auch für Cyber-Attacken gerüstet ist.
Wir stehen an der Schwelle zu einer neuen Weltordnung. Russland ist wirtschaftlich zwar schwach und militärisch den USA weit unterlegen, hat aber kaum Schulden und sitzt auf großen Goldreserven, kann also aufrüsten. Das russische Volk ist Entbehrungen gewohnt, demokratischer Protest gegen das System Putin chancenlos.
Die Führung des Riesenlandes fühlt sich von der NATO bedrängt und als Weltmacht nicht ernst genommen, hat sich daher nach Verbündeten umgeschaut und in Peking gefunden. Das kommunistisch-kapitalistische China arbeitet so strategisch wie rücksichtslos daran, zur Wirtschaftsmacht Nummer eins aufsteigen. Xi und Putin haben die Olympischen Winterspiele in Peking benutzt und die neue Achse gegen den Westen vor aller Welt bekundet. Hugo Portischs und Christoph Leitls Traum einer Freihandelszone von Lissabon bis Wladiwostok ist leider so fern wie schon lange nicht mehr.
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