Auch im Bio-Paradies ist nicht alles rosig

Warum man in Österreich über Lebensmittel reden sollte: Drei Thesen zur Mythenzertrümmerung.
Martina Salomon

Martina Salomon

In den USA ist gerade die längste Budgetsperre der Geschichte beendet. Wir wissen nicht, wie das Brexit-Abenteuer ausgeht, und innenpolitisch wird über den Primat von Politik und Recht gestritten. Kann man da über etwas so „Unpolitisches“ wie das Essen schreiben? Ja, weil es hochpolitisch ist, wer und was die Welt ernährt. Aber in Österreich muss man sich darüber doch eh keine Gedanken machen? Jein. Drei Schlagworte, die hinterfragenswert sind:

1.) „Bio-Europameister Österreich“: Das sind wir bei der Produktionsfläche tatsächlich. Aber beim Einkauf entscheidet dann doch häufiger der billigere Preis. Daher könnte die ehrenhafte Absicht von Landwirtschaftsministerin Köstinger für eine bessere Lebensmittelkennzeichnung, auch in verarbeiteten Produkten, ein Schuss nach hinten sein: Der heimische Handel behauptet, dass dies seine Produkte verteuere. Theoretisch könnte es jedoch ein Bewusstsein schaffen, dass man zum Beispiel viel mehr („böse“) Eier aus internationaler Käfighaltung (etwa in Keksen oder Nudeln) verspeist, als gedacht. Selbst dann, wenn ein fettes „A“ auf der Packung prangt.

Märkte abschotten bringt für alle Nachteile

2.) „Regionalität ist das neue Bio“: Wir, die Europäer möchten am liebsten die eigenen Märkte umzäunen, doch unsere Lebensmittel sollen – bitteschön – am internationalen Markt erfolgreich sein. Beispiel Afrika: Der Export von überschüssigem Billigfleisch aus der EU hat über Jahre hinweg die Lebensgrundlagen lokaler Bauern zerstört. Gleichzeitig ist die EU weltweit größter Geldgeber für Entwicklungshilfe. Ein Handel auf Augenhöhe wäre besser – übrigens für Afrika und Europa. Ja, der Transport verschlechtert den ökologischen Fußabdruck afrikanischer Trauben im heimischen Supermarkt – doch ihr Kauf hat auch positive Wirkung: Weil es Wirtschaftswachstum in Regionen erzeugt, aus denen man jetzt noch wegen der tristen wirtschaftlichen Lage (und der korrupten, lokalen Politik) nach Europa flieht.

3.) „Small is beautiful“: Die Globalisierungs- und Technikskeptiker im „satten“ Westen werden mehr. Doch sie übersehen, dass effizientere Produktion und Freihandel Hunger und Armut weltweit drastisch reduziert haben. Den internationalen Trend zu riesigen Monokulturen und immer monströseren Zuchttieren darf man dennoch skeptisch betrachten. Aber „small ist beautiful“ bedeutet nicht automatisch schonenderen Umgang mit Erde und Tier sowie bessere Produkte. Übrigens haben wir Konsumenten es letztlich selbst in der Hand, wie und was produziert wird. Eine Frage des Geldes ist das meist nicht: Der Anteil der Lebensmittelausgaben am österreichischen Haushalt beträgt kaum noch 12 Prozent. Sparen könnten wir beim Fleischkonsum: Weniger Fleisch nutzt der eigenen Gesundheit und der Umwelt. Neumodisch das Essen (und unsere Befindlichkeiten) zur Ersatzreligion hochstilisieren müssen wir hingegen nicht. Noch dazu, wo wir in Wirklichkeit gar nicht so supermoralisch sind, wie wir uns gerne sehen.

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