Appell an den mündigen Bürger

Martina Salomon
Facebook hat Daten verkauft, die unredlich eingesetzt wurden. Warum wir dennoch nicht nur Opfer sind.
Martina Salomon

Martina Salomon

Ist Ihnen bewusst, dass Georg Orwells 1948 entstandene Utopie „1984“ auf viel subtilere Weise Realität geworden ist, als es der Autor ahnte? Überwachung und Manipulation findet (zumindest in unseren Breiten) aber bisher weniger durch den Staat als durch Firmen statt, die unser Verhalten bis ins Detail kennen. Big Brother ist normalerweise kein plumper Parteienstaat, der auf „mind control“ setzt. (Die „message control“ unserer Kanzlerpartei ist da vergleichsweise harmloser.)

Aber auch wenn Facebook durch Datenmissbrauch zuletzt negative Schlagzeilen machte: Wir haben es sehr oft selbst in der Hand, ob wir zum gläsernen Menschen werden, oder nicht. Wer sich via Umfrage-App von Facebook alles mögliche Private herauslocken ließ, begab sich (bewusst?) in Gefahr. Wir geben Tag für Tag freiwillig Daten von uns preis: Durch die Verwendung von Kunden- und Kreditkarten zum Beispiel. Das ist ein Geschäft für beide Seiten – Rabatte gegen Daten. Auch die gratis nutzbaren Plattformen Facebook, Twitter, Whatsapp & Co. sind ja nicht die Caritas, sondern Milliarden-Unternehmen. Ihr Geschäftsmodell ist der Verkauf von Daten und möglichst zielgerichteter Werbung.

Das Analyse-Unternehmen Cambridge Analytica hat Facebook-Daten erworben, um „psychografische Profile“ zu erstellen und mit speziell zugeschnittener Werbung Wahlkampf für Trump zu machen. Das ist schon ziemlich gespenstisch, aber weder neu, noch überraschend. Werber und Wahlkämpfer bemühen sich seit jeher um möglichst genau definierte Zielgruppen. Wie leicht es ist, Menschen via soziale Medien zu manipulieren, fiel (dank der zufälligen Verhaftung von Tal Silberstein) auch im heimischen Nationalratswahlkampf auf.

Gut und böse Daten auf Knopfdruck – das hat helle und dunkle Seiten. Hilfreich ist zum Beispiel: Wenn Suchmaschinen erkennen, dass eine Riesen-Grippewelle im Anmarsch ist (weil viele Menschen gleichzeitig im Internet ihre Symptome googeln), ist das theoretisch ein gutes Frühwarnsystem für eine Gesundheitsbehörde. Harmlos (und durchschaubar) ist, wenn Ihnen der Internet-Reisedienst Hotels in Rom vorschlägt, weil Sie in dieser Stadt gerade eines via Internet gebucht haben. Was aber gefährlich ist: Wenn mit User-Profilen Wahlkämpfe – sogar in anderen Ländern – manipuliert werden, wie man es im US-Wahlkampf durch Russland vermutete.

Nein, wir müssen uns nicht zu Tode fürchten, sollten uns aber mehr bewusst sein, was wir von uns im Netz preisgeben wollen und was nicht. Erstaunlich viele Menschen geben viel über sich und von sich her. Ganz Paranoide können ruhig die Kameras ihrer PCs zukleben. Und es schadet nicht, wieder mehr direkt, als nur über technische Hilfsmittel zu kommunizieren. Auch wenn das sehr bequem und effizient ist. Wir halten dadurch Kontakt mit viel mehr Menschen als früher. Und nie war es leichter, sich Informationen zu beschaffen, was auch demokratiepolitisch positiv ist. Die „schöne neue Welt“ besteht nicht nur aus Datenskandalen, aber auch.

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