Die Getreideernte ist eingebracht, der Mais steht hoch, der Wein wird gut. Landauf, landab finden Festspiele auf hohem Niveau statt. Die Regierung ist entgegen aller Unkenrufe stabil, wir haben keine italienischen Verhältnisse. Der Tourismus ist fast wieder auf Vorkrisenniveau. Doch die Freude darüber wird durch einen dramatischen Arbeitskräftemangel getrübt: Mehr als 22.000 Tourismusstellen sind unbesetzt. Selbst in Salzburg bleiben mitten in der Saison Kaffeehäuser zu, weil Kellner fehlen. In vielen kleinen familiengeführten Gasthöfen lässt sich der Betrieb nur noch mit Selbstausbeutung aufrechterhalten, manchmal helfen sogar die Gäste aus.
Darauf muss die Politik reagieren. So sollte zum Beispiel das große Arbeitskräftepotenzial der Älteren gehoben werden. Es gibt genügend (Früh-)Pensionisten, die noch etwas Sinnvolles tun wollen. Finanziell attraktiv ist das jetzt nicht, fallen sie doch selbst mit kleinen Nebeneinkünften in höhere Steuerstufen und müssen Pensionsbeiträge leisten, ohne dass ihr Ruhebezug nennenswert steigt. Wie wäre es, die Arbeit von Menschen ab dem regulären Pensionsalter zumindest von Sozialversicherungsabgaben zu befreien? Insgesamt muss Arbeit endlich wieder attraktiver sein als Nicht-Arbeit. Doch politisch gehen die Signale eher in die andere Richtung.
Klar, staatliche Unterstützung ist für Niedrigverdiener-Haushalte angesichts explodierender Energiepreise wichtig. Aber kann eine Regierung wirklich alles ausgleichen – und muss sie es auch bei jenen tun, die prinzipiell leistungsfähig(er) wären? So erhalten sogar Studenten (mit Studienbeihilfe) ab Herbst 300 Euro Teuerungsausgleich. Gleichzeitig sind im ganzen Land Studentenjobs ausgeschrieben, für die sich niemand findet. Ein aktivierbares Arbeitskräftepotenzial gäbe es auch im Bereich der Zuwanderer: bei jenen, die schon da sind und jenen, die man erst holen muss.
Arbeitnehmervertreter meinen, Arbeitgeber seien selbst schuld, wenn Stellen unbesetzt bleiben. Das stimmt zum Teil: Etliche Tourismusbetriebe haben die „Überfuhr“ in die neue Zeit verpasst, es fehlte das Geld für nötige Renovierungen. Und man hat auf geänderte Bedürfnisse der Mitarbeiter spät oder gar nicht reagiert, sie auch zu schlecht bezahlt. Das wird jetzt nachgeholt, was die Kosten für Dienstleistung natürlich verteuern wird. Werden die Konsumenten bereit sein, mehr dafür auszugeben?
Der Arbeitskräftemangel hat das Potenzial, die Aufschwungfantasien zu zerstören. Es kann sich ja niemand wünschen, dass die Folgen des Ukrainekrieges die Wirtschaft ohnehin so beschädigen, dass die sommerliche Vollbeschäftigung im Winter nur noch zur fernen Erinnerung wird.
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