Ach, Schnucki – das Verschwinden des Österreichischen

Martina Salomon

Martina Salomon

KURIER-Leser machen oft Bahöl wegen zu vieler Germanismen und Anglizismen in der Zeitung.

von Dr. Martina Salomon

über das Verschwinden des Österreichischen

Wissen Sie noch, dass – zumindest in WienTomaten einst Paradeiser und Kartoffeln Erdäpfel hießen? Und würden Sie auch nie "lecker" sagen, auch wenn die (unsynchronisierte deutsche) Werbung voll davon ist? Dann sind Sie wahrscheinlich über 50 und ohne deutsche Privatsender groß geworden. Vielleicht kennen sie sogar den "Pfrnak" (die österreichisch-böhmische Version der Nase).

KURIER-Leser machen oft Bahöl wegen zu vieler Germanismen und Anglizismen in der Zeitung. Tatsächlich rutscht uns hin und wieder Unverzeihliches wie "an Weihnachten" durch. Oder wir verwenden gedankenlos englische Worte, wo es auch deutsche gäbe (Hauptquartier statt Headquarter). Manchmal jedoch gibt es sie nicht oder nur mit kabarettistischer Note, etwa wenn Guido Tartarotti über das "Stuhl-Gewitter" (Shitstorm) schreibt.

Französisch am Hofe

Die Wahrer des österreichischen Sprachguts neigen ja gelegentlich zur Übertreibung. Let’s face it (okay, das war jetzt eine Provokation): Sprache verändert sich und unterliegt Modeerscheinungen. In der Goethe-Zeit redete man ein anderes Deutsch als jetzt (auch wenn wir uns möglicherweise in diese Zeit zurückentwickeln, wo nur die Elite ernsthaft lesen konnte). Und am österreichischen Hofe sprach man einst vornehm Französisch – daher sickerten französische Vokabeln ein, wie Trottoir.

Mittlerweile ist Englisch Weltsprache und " BSE" (Bad Simple English) alltäglich. Selbst die Regierung schreckt davor nicht zurück. Da findet sich im Plan A folgendes Satz-Ungetüm: "Dieser Vorteil soll weiter ausgebaut werden, etwa durch den Ausbau des One-stop-shop-Prinzips in der FMA mittels einer neuen Regulatorischen Task Force (z. B. Financial Service Unit) zur Beschleunigung der Prozessabläufe und als Direct Point of Contact für ausländische Asset Manager und Finanzinvestoren (High Level Service als Pull-Faktor)." Aha! Das können wir im KURIER aber auch ganz gut, wie ein aktuelles Interview mit unserem Online-Geschäfts-führer diese Woche zeigte, wo von "Content Repository" und "Back End" die Rede war (auf leadersnet.at übrigens).

In Wirtschaft und Wissenschaft ist Englisch allgegen-wärtig, aber das ist in einem globalen Business, äh, Geschäft, logisch. Und weil Jugendliche die ganze Welt auf Knopfdruck in ihrem Handy (ist nicht englisch!) haben und gern in Kurzformeln kommunizieren, schwindet das Österreichische ebenfalls. Die Zeit bezeichnet übrigens die Kommunikation mit "Emojis" als raschest wachsende Sprache der Welt. Die Kinder der neuen Zuwanderungsgruppen wiederum sitzen viel zu oft vor den Fernsehsendern ihrer Muttersprache. Das erschwert das Deutsch- geschweige denn Österreichisch-Lernen. (Und welche Inhalte da sonst noch transportiert werden, sollte man auch genauer beachten.)

Burgtheater-Deutsch, ade

Schade, dass nicht einmal das Burgtheater ein Hort österreichischer Sprachfärbung ist. Da amtieren schon zu lange deutsche Direktoren mit ihren Lieblingsschauspielern. Aber wenn die dann Nestroy oder Schnitzler spielen ... Der spezifisch altösterreichische Ton stirbt aus, bald kann man ihn nur noch auf analogen Schallplatten von André Heller hören. Viele werden die Texte aber gar nicht verstehen. Ach, Schnucki ...

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