Abschiedsschmerz in der Politik

Martina Salomon

Martina Salomon

Es wird dauern, bis der Groll der Abgelösten verflogen ist.

von Dr. Martina Salomon

über Abschiede in der Politik.

Abschied nehmen von der Politik: Das scheint besonders schwer zu ein. Und viele riskieren, ihre Karriere und ihre Leistungen quasi in der Rückschau zu entwerten. 2017 war das Jahr der politischen Abgänge – nicht nur wegen des Wechsels im Kanzleramt. Wobei das Phänomen, sich ans Amt zu klammern, keineswegs ein Österreich-Spezifikum ist. Siehe die lähmenden "Sondierungen" in Deutschland. Würde es nicht eine Entkrampfung der Situation bringen und Neuwahlen verhindern, wenn sowohl Angela Merkel als auch Martin Schulz den Weg frei für unbelastete Nachfolger machen würden? Merkel hat immerhin bereits zwölf Jahre regiert. Jeder würde verstehen, wenn sie ihre aufreibende Aufgabe gegen mehr Lebensqualität und weniger wichtige Jobs eintauschen würde.

Kurz Kanzler

Ein wenig schleierhaft ist auch, warum der für die Oppositionsarbeit weder vorbereitete noch geeignete Christian Kern nach der Wahl nicht das Handtuch geworfen hat. Damit wäre vielleicht sogar noch eine rote Regierungsbeteiligung möglich gewesen, weil sein potenzieller Nachfolger (und nun demnächst neuer burgenländischer Landeshauptmann) Hans Peter Doskozil weder mit Sebastian Kurz noch mit den Blauen Berührungsängste hatte. Schon bei der ersten Parlamentssitzung war sichtbar, wie schwer Kern die neue Rolle fällt. Unglaublich, aber es ist nicht einmal eineinhalb Jahre her, dass er von der Regierungsbank aus einen viel beklatschten und damals sehr glaubwürdigen Neustart versprochen hat.

Aber selbst angekündigte Rücktritte ziehen sich und werden oft nur unter Schmerzen vollzogen: In drei Bundesländern endete heuer eine Ära, wenn auch in einem davon noch immer nicht offiziell: Erwin Pröll und Josef Pühringer schafften es gerade noch rechtzeitig, ihre Ämter in Würde zu übergeben. Michael Häupl hingegen lässt zu, dass sich seine Kronprinzen in einem Machtkampf gegenseitig beschädigen. Die Kandidaten Michael Ludwig und Andreas Schieder versuchen nun in parteiinternen Hearings, das Beste aus der vertrackten Lage zu machen. Dennoch schwächt das die Wiener Roten insgesamt. Dabei wären sie nun theoretisch die wichtigste Bastion der Sozialdemokratie. Dazu passt, dass auch die grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou längst Ablösekandidatin wäre, würde sie nicht paradoxerweise eine Art stabiles Element in ihrer durch den Parlamentsrauswurf schwer ramponierten Partei darstellen.

"Revanchegefühle"

Was so ein freiwillig-unfreiwilliger Abgang aus der Politik bedeutet, hat Reinhold Mitterlehner kürzlich gestanden. (Erinnern Sie sich noch? Bis vor gut einem halben Jahr war er Vizekanzler.) Er habe mit "Rache- und Revanchegefühlen" gekämpft, erzählte der Kurz-Vorgänger in einem bemerkenswert offenen trend-Interview. Die Zahl jener Schwarzen, die noch akut mit ihrem eigenen Abgang hadern – von Ex-Finanzminister Schelling abwärts –, dürfte trotz des Wahlsiegs der ÖVP groß sein. Sebastian Kurz hat sich ein völlig neues Team gezimmert.

Es wird wohl dauern, bis der Groll verflogen ist. Nur Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter zeigt sich fröhlich wie eh und je, obwohl er nie verhehlte, dass ihm das Regieren Spaß gemacht hat. Es ist eben von Vorteil, wenn man nicht nur Humor besitzt, sondern auch etwas "Richtiges" gelernt hat.

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