Es hatte etwas vom Finale einer Castingshow, DSSDS (Die Sozialdemokratie sucht den Superstar) oder so ähnlich, nur dass am Ende nicht Dieter Bohlen und das Fernsehpublikum die Entscheidung trafen, sondern die Parteitagsdelegierten. Auch der Spannungsaufbau war ähnlich, am Ende machten nur 37 Stimmen den Unterschied aus. Wie gut, dass es nun vorbei ist mit der roten Familienaufstellung, mit dem verzweifelten Selbstfindungssesselkreis. Dieses Land braucht dringend auch eine funktionstüchtige Opposition, die nicht blau ist.
Inhaltlich waren die Auftritte der Finalisten beim SPÖ-Sonderparteitag erstaunlich: erstaunlich uninspiriert, was Hans Peter Doskozil ablieferte, erstaunlich inhaltsleer, sogar ein bissl beleidigt. Für sein Kernthema, die Migration, hatte er gar keine Zeit mehr. Schon gar nicht für den Klimaschutz. Dafür versprach er, dass seine Stimme halten werde. Danach Andreas Babler: erstaunlich energetisch, offensiv, mit konkreteren Ansagen und mit Metaphern aus dem Fußball und der Traumwelt.
Den Preis für die beste Darstellung an diesem Nachmittag gewann definitiv Babler. Dass dennoch Doskozil obsiegte, zeigt, dass die Delegierten ihm mehr Schlagkraft zutrauen – im Match gegen Pamela Rendi-Wagner hat er das auch (alles andere als elegant) bewiesen. Dass er sie in Linz nicht einmal erwähnte, zeigt, dass er seine Trotzphase nicht überwunden hat. Irgendwie wurde man jedenfalls das Gefühl nicht los, dass hier das Establishment aus einem gesicherten Fürstentum und die Gruppe Revolutionärer Marxisten aus den 1980er Jahren aufeinandertrafen. Alles sehr retro. Geht da wirklich nicht mehr? Wissen alle Beteiligten, dass wir uns im Jahr 2023 befinden? Wo sind die Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit, abgesehen von Solidaritätsklischees?
Was ist die Arbeiterklasse von heute, besteht sie aus den zugewanderten Mitbürgern, egal in welcher Generation, oder aus jungen Berufseinsteigern und dem Prekariat? Wie steht die Sozialdemokratie zur Wissenschaft und der wachsenden Feindlichkeit ihr gegenüber? Wie kann sie die Industrie mit der Öko-Bewegung versöhnen? Wie will sie der Inflation begegnen, außer mit heftigen Lohnforderungen? Wie soll Wohnraum für junge Menschen leistbar werden? Wie will sie Menschen, die sich von der politischen Debatte verabschiedet haben, repolitisieren? Vor allem aber: Was ist im 21. Jahrhundert links? Und braucht es eine klare Abgrenzung nach rechts oder eine Einverleibung der entsprechenden Themen?
Dass Doskozil bei seiner Siegesrede eine Koalition mit der FPÖ ausschloss, zeigt, dass er zumindest die letzte Frage angehen will. Dass er danach auch vom Fernziel sprach, keine Koalition mit der ÖVP für eine Regierung zu benötigen, weist ihn als Träumer aus. Nicht weniger als Babler.
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