Flüchtlingscamp in Bosnien: Viel Verwirrung und scharfe Kritik

Flüchtlingscamp in Bosnien: Viel Verwirrung und scharfe Kritik
Den lokalen Politikern werden von der Staatsregierung und EU die Hände gebunden, lautet die Kritik.
Von volmehrplatz

Wie so oft begann alles in Wien. Der bosnische Sicherheitsminister Selmo Cikotić traf sich im November 2021 mit dem österreichischen Innenminister Gerhard Karner und Michael Spindelegger, Direktor des International Centre for Migration Policy Development (ICMPD). Sie besprachen die Abschiebung illegaler Migranten aus Bosnien-Herzegowina. Diese sollen in Zukunft vom ICMPD durchgeführt werden, heißt es in der Presseaussendung des Sicherheitsministeriums von damals.

Ein Jahr später besuchte der von der ungarischen Regierung Viktor Orbáns für das Amt des EU-Erweiterungskommissars nominierte Olivér Várhelyi Bosnien-Herzegowina. Dort kündigte er eine stärkere Zusammenarbeit im „Kampf gegen illegale Migration“ an. Er verwies auf ein weiteres, wichtiges Projekt: eine "Haftanstalt" in Lipa, einem Dorf in der nordwestlichen Stadt Bihać. Für das die EU-Kommission 500.000 Euro bereitstellen sollte.

Gewahrsam bis zur Abschiebung

Damit sollen „falsche Asylwerber“ – was genau damit gemeint ist, ließ Várhelyi unkommentiert – in Gewahrsam genommen werden. Und das, bis sie in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden können. Migrationsexpert:innen warnen, dass das gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und das Non-Refoulement-Prinzip verstößt. 

Die Bauarbeiten begannen im Dezember des Vorjahres. Die Verantwortung für die Haftanstalt soll nach Fertigstellung auf die Ausländerbehörde des bosnischen Sicherheitsministeriums übertragen werden. 

Scharfe Kritik

Der Bürgermeister von Bihać, Elvedin Sedić, spricht sich seit Wochen lautstark gegen das Vorgehen der EU und des ICMPD aus. Vor allem kritisierte er sie, weil die Stadt nie eine Baugenehmigung dafür erteilt hätte. 

Sedić sagte auch, dass er nicht verstehe, warum eine solche Anstalt nötig sei. Im Camp würde es selten zu gewaltsamen Ausschreitungen kommen und die Geflüchteten würden in der Stadt selbst auch kaum Probleme machen.

Vergangene Woche hatte er sich im Interview mit dem KURIER noch kritisch gegenüber den Verantwortlichen geäußert, jedoch möchte sich der Bürgermeister heute nicht länger dazu äußern. Journalist:innen aus Bihać vermuten, dass er von der Staatsregierung und der EU, die sich mit ihm darüber unterhalten haben, unter Druck gesetzt worden sein soll. 

 

„Gewahrsamsraum“

Das von Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger geleitete ICMPD hat den Bau mit dem Geld der EU-Kommission durchgesetzt, die Vorwürfe, es handle sich um eine Haftanstalt, aber lange dementiert. Auf Anfrage des KURIER schrieben sie, dass „das ICMPD selbstverständlich nicht am Bau einer ‚Gefängniseinheit‘ oder ähnlichem beteiligt ist.“ Gegenüber der deutschen tagesschau haben sie nun eingeräumt, dass es sich um einen „Gewahrsamsraum“ handelt.

„Die EU baut also mithilfe eines Kooperationspartners aus Österreich ohne geklärte Rechtsgrundlage einen Internierungstrakt im Camp Lipa, in dem Flüchtende und Migranten leben – mit Geldern, die Bosnien und Herzegowina eigentlich für die EU fit machen sollen“, so die deutsche Nachrichtensendung. 

Der bosnische Menschenrechtsminister Sevlid Hurtić äußerte sich zuletzt dazu im Interview mit lokalen Medien: „Ich werde nicht zulassen, dass jemand im Lipa-Lager eingesperrt wird. Das neue Objekt ist ein klassisches Gefängnis.“

Keine gesetzliche Grundlage

Mittlerweile ist die Einrichtung, die vor allem aus Containern besteht und Platz für zwölf Personen bietet, fertig. Aber in Betrieb genommen wurde die Haftanstalt noch nicht. Der Grund: Die notwendige gesetzliche Grundlage. Denn die gibt es in Bosnien-Herzegowina nicht, soll aber nun geschaffen werden. Einige Gesetze werden zum Zwecke der Anstalt neu geschaffen und andere abgeändert, bestätigen bosnische Journalisten aus Sarajevo dem KURIER.

Im Land sorgt das für Empörung. Viele vermuten eine Strategie der EU dahinter, Bosnien-Herzegowina zum „Abschiebehof der EU“ zu machen. Auch in Österreich gab es viel Wirbel um das Thema.

 

Kommentare