Sexismus in der "Jugo"-Gastro: Von Catcalling und Macho-Bildern

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Eine Beobachtung der Gepflogenheiten in der Wiener Balkan-Gastronomie aus einer anderen, Nicht-Trinker-Perspektive.

Fast vier Jahre lang habe ich in der Wiener „Jugo“-Gastronomie gearbeitet und weiß, wie die Balkan-Community tickt. Normalerweise schreibe ich lieber über fröhlichere Themen, aber diesmal muss ich ein Tabuthema in der Balkan-Bubble ansprechen - Sexismus. Ich entschuldige mich im Voraus für die verwendeten Begriffe, aber nur so lässt sich das Problem genau veranschaulichen.

Ich bin kein Fortgeh-Typ. Discos und Partys sind nicht meine Welt und ich trinke auch nicht oft Alkohol. Deshalb habe ich die Balkan-Gastronomie aus einer anderen, Nicht-Trinker-Perspektive jahrelang beobachten können. Ich sammle gerne Geschichten aus dem Alltag. Deshalb notierte ich mir in meiner Zeit als Kellner regelmäßig Sprüche der Gäste und Anekdoten. In dieser Zeit bemerkte ich unter den überwiegend männlichen Gästen eine unglaubliche Portion Sexismus gegenüber meinen Kolleginnen.

Macho-Sprüche

Ich erinnere mich an meinen ersten Dienst und einen Stammgast, der nach ein paar Krügerl Bier nachdenklich auf die Straße blickte und vollen Ernstes sagte: „Es gibt nichts Schöneres, als betrunken nach Hause zu kommen und meine Frau so richtig zu schlagen“. Ich konnte meinen Ohren nicht trauen. Ich war verloren, nervös, denn ich brauchte das Geld. Also schwieg ich. Ignorieren konnte ich es dennoch nicht. 

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Die Partymeile Ottakringer Straße ist nicht nur für Fanausschreitungen bekannt

Der Gast fügte hinzu, dass er die Zeit vermisse, als er müde von der Arbeit nach Hause kam und sie mit einer Wanne mit warmem Wasser auf ihn wartete und ihm die Füße wusch. "Verdammt, diese Zeit fehlt mir", sagte er.

Frauen wie Tiere genannt

Jede Frau, die bei dem Lokal vorbeiging, wurde wegen ihres Aussehens oder der Kleidung kommentiert. Nicht zu vergessen sind Bezeichnungen wie "Katze" ("mačka"), „Fo**e“ („pi*ka“, „piz*a“), „Fisch“ („riba“), „Kuh“ („krava“), „Schlampe“ („kurva“, „drolja“) oder „Kleine“ („mala“). Ja, wie man sieht, mögen die Alphamänner vom Balkan Tiere. Stichwort: Catcalling.

Catcalling ist ein internationaler Begriff für sexuell anzügliches, unangemessenes und unhöfliches Rufen, Reden oder Pfeifen im öffentlichen Frauen und bezeichnet meistens das Hinterherrufen und Nachpfeifen durch Männer gegenüber Frauen. Die Form des "Katzen-Rufen" stellt eine Form der verbalen sexualisierten Belästigung dar. Es stellt einen Versuch auf, die Aufmerksamkeit von Frauen und sie für ein sexuelles Abenteuer zu gewinnen.

Alle, aber absolut alle Kellnerinnen, mit denen ich gearbeitet habe, wurden von Gästen nicht bei ihrem Namen oder Spitznamen genannt. „Hey, Kleine!“, „Hallo, Süße“ oder „Mädchen, komm her!“ hieß es oft. Nur die Lokalbesitzerinnen wurden mit ihrem Namen genannt.

Jede Kellnerin wurde von Kopf bis Fuß "gescannt". Das Trinkgeld wurde von diesen Gästen nach folgender Logik berechnet: große Oberweite = mindestens vier Euro Trinkgeld. Die Lokalbesitzer wussten genau, wie das Geschäft läuft: Je schöner die Frau hinter der Bar, desto mehr Umsatz gibt es. Männer hinter der Bar waren weniger erwünscht. 

Schimpfwörter in Alltagssprache

Einmal kam ein Gast im schmutzigen Arbeitsgewand an die Bar, sah mich mit etwas enttäuschendem Blick und sagte: „Scheiße, habe ich so lange ein Parkplatz gesucht, damit ich einen Mann anschauen muss? (…) Ich dachte, ein Püppchen würde arbeiten“. Lassen Sie mich auch das klarstellen: In den Balkan-Sprachen sind Schimpfwörter in der alltäglichen Sprache ein Muss.

Anders als in der deutschen Sprache können "Jugos" einige Sachen nicht ohne Schimpfwörter erklären. Wenn es zu kalt ist, dann ist es "je*eno hladno", also "verdammt kalt", wenn man es so übersetzen kann. Deswegen benutzen die Machos auch bei (für sie gesehen) Komplimenten unterschiedlich kreative, aber diffamierende Wörter.

Mehrmals gab es eine Situation, in der eine Kollegin aus dem benachbarten Lokal zu mir kam, die einen für die Gäste "speziellen" Kleidungsstil hatte. Sie wurde wie folgt kommentiert: „Willst du, dass ich einen Herzinfarkt bekomme?“ oder „Komm, Kleine, setz dich auf meinen Schoß“. 

Wenn ich ein gutes Verhältnis mit einer meiner Kolleginnen hatte oder mit ihr nach der Schicht Kaffee getrunken habe, dann gab es Kommentare wie "Hast du was mit der?"

Ich verabscheue Alpha-Männer, die offen darüber sprechen, wie sie ihre Frau schlagen und daheim "Babos" spielen. 

War nur Spaß…

All diese Geschichten sind die nackte Wahrheit, die nicht von gestern ist, sondern seit Jahrzehnten andauert. Die meisten dieser sexistischen Männer sind nicht mehr die jüngsten, somit kann ihr Alter keineswegs eine Ausrede für ihr peinliches Benehmen sein. Nein, das sind Menschen, die auch Enkelkinder haben. Wie würden sie sich denn verhalten, wenn jemand so über ihre Frau, Tochter, Schwester sprechen würde? Sie würden wohl handgreiflich werden. Wenn aber sie diejenigen sind, die das machen, dann ist es "nur aus Spaß".

Als junger Teenager habe ich leider über solche sexistischen Kommentare gelacht und leider auch ähnliche Dinge von mir gegeben. Damals war ich jung, dumm und nicht reif genug. Hiermit möchte ich mich bei jeder Frau entschuldigen, die solche Kommentare von mir gehört oder ein ähnliches Verhalten bei mir bemerkt hat.

Gerade Frauen in der Gastronomie verdienen mehr Respekt und jeder kann seinen Teil zu einer Verbesserung der Situation beitragen. Fußballschiedsrichter tragen auf ihren Ärmeln die Aufschrift "Respekt" und zeigen immer darauf, wenn sich ein Spieler respektlos gegenüber ihnen verhält. Das sollten auch Kellner tragen, denn nur Trinkgeld geben reicht nicht. 

Auch Angehörige und Personen aus dem Umfeld einer Betroffenen können sich an die Frauenhelpline unter der Telefonnummer 0800-222-555 (24 Stunden am Tag) oder an die Onlineberatung HelpChat (www.haltdergewalt.at; täglich von 16.00 bis 22.00 Uhr) wenden, wurde betont. Die Gespräche sind auch mehrsprachig möglich (Information: www.frauenhelpline.at).

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