Migranten und Flüchtlinge in Wien: Von der Politik ausgegrenzt?
"Es ist so schwer von einer Demokratie zu sprechen, wenn so viele Menschen nicht wählen dürfen", ist sich Munira Mohamud sicher. Ihre Kollegin Zahra Hashimi findet, dass sie nicht nur ein Teil der Gesellschaft sind. "Wir sind diese Gesellschaft. Wir wollen, dass nicht über uns gesprochen wird, sondern mit uns", sagt die gebürtige Afghanin. Die beiden jungen Frauen sind Teil des Vereins "Fremde werden Freunde", der zur Veranstaltung namens "Engagiert. Transnational. Ausgegrenzt? Politische Partizipation von Geflüchteten und Migrant:innen in Wien" geladen hat.
Präsentiert wurden dabei zwei Studien, die sich dieser Thematik widmen. Denn die politische Partizipation der Zuwanderer hat noch nie so viele Menschen beschäftigt wie aktuell. Es ist so, dass in Wien mehr als 30 Prozent der Bevölkerung ab 16 Jahren nicht wählen dürfen. Diese Entwicklung wirft zunehmend grundlegende demokratische Fragen auf. Wie steht es um die demokratische Legitimation der repräsentativen Demokratie in Wien? Was bedeutet das für die Inklusion und Integration von Menschen ohne österreichischen Pass?
Mitreden wollen
"Menschen mit Fluchthintergrund werden im öffentlichen Diskurs oftmals als passive Akteur:innen und Objekte der Politik verstanden, denen generell politisches Interesse abgesprochen, ihnen aber zugleich mangelnde Teilhabe vorgeworfen wird. Die Debatten drehen sich hierbei meist um Staatsbürgerschaft und fehlendes Wahlrecht. Gemeinhin wird meist über sie geredet anstatt zu untersuchen, welche aktive Rolle Menschen mit Fluchthintergrund tatsächlich spielen und welche Hürden sie erfahren", heißt es in der Studie von Mag. Kathrin Braun, die der Frage nach der politischen Partizipation von Geflüchteten nachgeht. Dabei käme die Wahrnehmung und das Wissen um Möglichkeiten der politischen Partizipation aber gerade in Bezug auf diese Gruppe eine besondere Bedeutung zu.
Die Ergebnisse der Studie würden zeigen, dass Menschen mit Fluchthintergrund vielfältige politische Beteiligungsformen wählen und den politischen Diskurs aktiv mitgestalten, beziehungsweise mitgestalten wollen. "In vielen Fällen treten sie als politische Subjekte auf und machen von ihren demokratischen Rechten Gebrauch. Dies passiert vor allem in einem nicht-institutionalisierten und niederschwelligen Rahmen und reicht von politischen Gesprächen, Engagement in der Zivilgesellschaft bis hin zu Teilhabe und Mitorganisationen von Protesten und Demonstrationen", heißt es.
Die persönliche Betroffenheit würde bei den Handlungen meist im Vordergrund stehen. "Der undemokratische und repressive Kontext, dem viele Personen in ihren Herkunftsländern ausgesetzt waren, lässt die demokratischen Verhältnisse in Österreich besonders wertschätzen. Das politische Interesse hängt häufig mit den als zentral empfundenen Themen der Befragten zusammen, die die aktuelle Lebenswelt betreffen, wie Migrations-, Asyl- und Integrationspolitik. Die Themenfelder beschränken sich jedoch nicht nur darauf und decken das gesamte politische Spektrum ab. Als große Herausforderung und Einschränkung wurden fehlende Anerkennung und die Wertlosigkeit der eigenen Stimme beschrieben", lauten die Erkenntnisse dieser Studie.
Herausgearbeitet wurden auch Empfehlungen für die Stadt Wien, die "Etablierung eines Migrant:innenbeirats", das "Forcieren von Diversität in politischen Strukturen" sowie die "Förderung von politischer Bildung" vorsehen.
"Nicht auf eine Einwanderungsgesellschaft ausgerichtet"
Die beiden Politikwissenschaftler Dr. Vedran Džihić und Dr. Cengiz Günay von oiip – Österreichisches Institut für Internationale Politik haben die politische Teilhabe der türkischen und serbischen MigrantInnen in Wien unter die Lupe genommen. Demnach werden hierzulande nur wenige MigrantInnen von den österreichischen politischen Parteien wahrgenommen und gefördert. "Auch hier fehlt eine Anerkennung für transnationale Erfahrungen und Ressourcen. Die politischen und administrativen Strukturen und Institutionen sind weiterhin nicht auf eine Einwanderungsgesellschaft ausgerichtet", heißt es in der Studie.
Dieser Umgang der Politik mit den Migranten habe dazu geführt, dass eine Vielzahl an politischen Entrepreneurs, Vereinen, Plattformen, Medien und Bewegungen jenseits der etablierten österreichischen politischen Strukturen entstanden ist. Die meisten würden sich entweder mit Themen der Migration und Integration in Österreich bzw. Wien auseinandersetzen. Die politische Teilhabe in Österreich würde oft über Vereine erfolgen, die aber kein politisches Mandat haben.
Dennoch seien Vereine und migrantische Medien zum einen eine wichtige transnationale Brücke, und zum anderen auch ein Anker für das Engagement in Österreich bzw. Wien. "Vereine kann man in zwei Kategorien unterteilen: sogenannte post-migrantische Organisationen, die sich für eine Überwindung der Binalität in Österreich einsetzen und die Strukturen verändern möchten und jene, die stärker durch Herkunftsidentitäten geprägt sind. In der letzteren Kategorie sind Vereine oft nach Herkunftsland, Ethnie, kulturellem Hintergrund, sozialen und religiösen Unterschied strukturiert und sogar segregiert", heißt es in der Studie.
Gefordert werden u.a. rechtliche Gleichstellung und Ermöglichung des leichteren Zugangs zur Staatsbürgerschaft, eine Öffnung der Parteistrukturen für MigrantInnen oder aber die Nutzung der "transnationalen Verbindungen, Erfahrungen und das Knowhow von Migrantinnen" seitens der Stadt.
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