Die letzte Überlebende von Auschwitz und Sarajevo-Belagerung ist tot
"In meinem Leben war ich schon mal gezwungen, mein Zuhause zu verlassen. Ich werde mein Zuhause nie wieder freiwillig verlassen“. Für Greta Weinfeld Ferušić stellte sich 1992 nicht die Frage, ob sie ihre Siebensachen packen und woanders einen Neuanfang machen wolle. Am Montag musste sie aber doch gehen. Greta Weinfeld Ferušić, der letzte Mensch, der sowohl das Konzentrationslager von Auschwitz als auch die Sarajevo-Belagerung überlebt hatte, verstarb am Montag im Alter von 97 Jahren in der bosnischen Hauptstadt.
Weinfeld Ferušić wurde 1924 in Nordserbien geboren. 1944 wurde sie samt ihrer gesamten jüdischen Familie nach Auschwitz deportiert. Sie sollte die einzige Überlebende aus ihrer Familie werden. Der Rest wurde in einem Lager in Polen ermordet.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrte sie nach Serbien zurück, wo sie in Belgrad Architektur studierte. Nach dem erfolgreichen Abschluss des Studiums zog es sie aus beruflichen Gründen nach Sarajevo. Dort machte sie große Karriere. Sie arbeitete als Professorin an der Fakultät für Architektur der Universität Sarajevo und wurde später sogar zur Fakultätsdekanin befördert.
Augenzeugin zweier großer Tragödien
Als 1992 die dreijährige Belagerung der bosnischen Hauptstadt begann, lehnte Weinfeld Ferušić es ab, aus dem von serbischen Streitkräften umzingelten Olympia-Austragungsort von 1984 evakuiert zu werden. Die Anfangssätze dieses Textes sagte sie in der Doku "Greta", die 1997 veröffentlicht wurde und ihre dramatische Lebensgeschichte behandelt.
"Während des Zweiten Weltkrieges war ganz Europa in Schwierigkeiten und von Leid geprägt (…) Während des Bosnienkrieges lebten die Menschen nicht einmal 100 Kilometer Luftlinie entfernt ein normales Leben, unbeeinflusst von den Ereignissen und ohne mal zu merken, was hier geschah", sprach sie darin über das Gefühl, in einer Belagerung zu leben.
Ein halbes Jahrhundert nach Auschwitz überlebte sie im Gegensatz zu 11.500 Mitbürgern - darunter 1.600 Kinder -, die in Sarajevo in der 1.460 Tage dauernden Belagerung ums Leben kamen, die nächste große menschliche Tragödie auf dem europäischen Boden.
"Tiefste Menschlichkeit"
"Eine großartige Person ist von uns gegangen. Sie hat so viele gute und schreckliche Dinge überlebt. Greta, danke für deine wundervolle Persönlichkeit, deine tiefste Menschlichkeit und deine Freundschaft!", verabschiedete sich Haris Pašović, der bei der Doku "Greta" die Regie führte, in einem Facebook-Post von seiner Freundin.
2004 wurde Greta Weinfeld Ferušić mit dem Kreuz von Auschwitz ausgezeichnet – einer polnischen Auszeichnung zu Ehren der Überlebenden der von Nationalsozialisten errichteten Konzentrationslager im Zweiten Weltkrieg.
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