Südoststeiermark: Es wächst hier nicht nur Wein
Von Sigmund Freud, dem Begründer der Psychoanalyse, stammen viele Zitate, unter anderem auch das: „Der Mensch ist eben ein unermüdlicher Lustsucher.“ Er meinte damit auch und vor allem sich selbst, denn er war ein Hedonist. Die Zigarre nahm dabei einen besonderen Platz ein, angeblich rauchte Freud täglich bis zu dreißig Stück und redete sich ein, dank des Tabaks konzentrierter zu arbeiten und selbstbeherrschter zu sein. Solche Mythen wurden längst widerlegt und der Vollständigkeit halber muss erwähnt sein, dass Freud sechzehn Jahre lang wegen des Rauchens an einem Gaumenkrebs litt, an dem er schlussendlich 83-jährig starb.
Heute wird Rauchen nur in geringen Mengen als Genussmittel akzeptiert. Weshalb auch ein österreichischer Tabakbauer nur auf seltenen, aber dafür exquisiten Genuss setzt. Ja, Johannes Rauch baut tatsächlich Tabak in Österreich an und einen Namenswitz dazu verkneifen wir uns an dieser Stelle. Der Steirer lächelt lieber darüber, dass man ihn auf „Kollegen“ Freud anspricht.
Er selbst ist vor allem Winzer in dritter Generation. Im Keller des Weinhofs seiner Familie nahe Perbersdorf in der Südoststeiermark reifen sortenreine Spitzenweine sowie elegante Cuvées aus den hier typischen Rebsorten. Wer Rauch besucht, bekommt zuerst einen frischen Gelben Muskateller eingeschenkt. Dabei fällt der Blick im Degustationsraum auf die dicken, sechzehn Zentimeter langen „Ostarrichi“-Zigarren, auf Mini-Zigarillos im Fünfer-Pack und zum Pfeifentabak. Auf die Frage „Wie kommt’s?“ folgt eine ziemlich komplexe Antwort. Denn es ist nicht ganz einfach, wenn man in einem Hochbürokratieland eine alte Tradition wiederbeleben will.
Einst das Zauberkraut
Bis Mitte der 1990er-Jahre spielte Tabakanbau im Süden der Steiermark eine Rolle. „Das milde Klima und der Boden lassen nicht nur Wein, sondern auch Tabak gedeihen“, erklärt Rauch. Schon sein Großvater Alois baute das „Zauberkraut“ an. Er durfte daraus jedoch nicht selbst Rauchprodukte herstellen, sondern musste die getrocknete Ware an die Austria Tabakwerke verkaufen – schrieb das staatliche Monopol so vor.
Der EU-Beitritt Österreichs 1995 bedeutete für die bis zu fünfhundert Tabakbauern des Landes eine Zäsur. Staatliche Subventionen fielen weg, EU-Prämien glichen das nicht aus. Gleichzeitig fielen die Preise als Folge der Globalisierung. Zehn Jahre später war es mit dem heimischen Tabakanbau vorbei, nur das Tabakmuseum in Fürstenfeld erinnert an die frühere Blütezeit.
Johannes Rauch wollte sich nicht damit abfinden, dass alles vorbei sein soll. Vater Günther wusste noch einiges von der alten Kulturpflanze, Johannes fragte nach: „Tabak ist einjährig. Er muss jedes Frühjahr neu gezogen werden.“ Also kaufte er 2010 erste Setzlinge der Sorten Korso und Havanna. Dann begann eine Phase des Experimentierens, erste Anbauversuche fanden im Gemüsegarten seiner Mutter statt. Die Schösslinge, die im Mai gesetzt werden, brauchen zwar weniger als ein Vierteljahr, bis sie erntereif sind. Aber in dieser Zeit wollen sie gehätschelt werden. „Tabak ist arbeitsintensiv“, musste Johannes lernen.
Anreise
Mehrmals täglich Verbindungen Wien–Graz, von da weiter mit dem Bus, oebb.at
Feuer und Wasser
Das Thermen- und Vulkanland mit seinen lokalen Produzenten und Winzern ist ein großer Delikatessenladen. Hier gibt es viele Gourmet-Restaurants, wie der Weinhof Rauch, weinhof-rauch.at
Essen und Wohnen
– Der Malerwinkl in Hatzendorf ist das erste Kunsthotel des steirischen Thermen- und Vulkanlandes. Es gibt zehn individuelle Künstlerzimmer und ein Restaurant, malerwinkl.com
– Das Gasthaus Haberl & Fink's Delikatessen in Walkersdorf bei Ilz, finks-haberl.at
– Das Meister in Riegersburg mit E-Bike-Verleih, das-meister.com
40 erloschene Vulkane
gibt es in der Region
Auskunft
Mehr Infos auf steiermark.com/de/ Thermen-Vulkanland
Zigarre „Großglockner“
Im Sommer beginnt dann die fortlaufende Ernte – die Blätter reifen nämlich von unten nach oben und werden bei passendem Reifegrad abgeschnitten. Sie kommen zur Lufttrocknung in die Tabakscheune, blatteigene Enzyme bauen Eiweißverbindungen ab, das typische Tabakaroma entsteht. Ende Dezember werden die Blätter abgenommen, sortiert und in eine feuchte Wärmekammer gebracht. Hier findet die zweite Fermentation statt. Ehe der Tabak fertig zum Rollen der Zigarren ist, muss die harte Mittelrippe der Blätter entfernt werden. Während früher also Bündel in die staatliche Fabrik geliefert wurden, wo auch die Zigarre „Großglockner“ gerollt wurde, verarbeitet Rauch heute die Blätter auf dem Weinhof selbst.
Es dauerte bis 2018, ehe Rauch mit der „Ostarrichi“ die erste nicht-staatlich hergestellte Zigarre Österreichs präsentieren konnte. Zwischenzeitlich war er nach Kuba gereist, hatte sich genau angeschaut, wie Zigarren in Handarbeit gefertigt werden. Wenn die Stumpen fertig gerollt sind, findet noch eine etwa einjährige Reifung statt. „Das ist die dritte Fermentation, sie rundet den edlen Geschmack ab.“ Das Ergebnis ist eine Longfiller, die edelste Form einer Zigarre, deren Einlage aus ganzen Blättern und nicht etwa aus gerissenem Blattgut besteht. Stolze fünfunddreißig Euro kostet die „Ostarrichi“ im Einzelverkauf. Johannes findet, dass sie jeden Zug wert ist. Er hat den Beweis „Steiermark statt Kuba“ angetreten, ist mit seiner Austro-Zigarre ein Pionier: „Was man gerne macht, macht man gut. Und ich mache das sehr gerne.“
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