Der syrische Bäcker aus Traiskirchen
Er bäckt und schweigt. Ernst und ehrfürchtig sieht Mohammad Al Johmani aus, wenn er seinen Beruf ausübt. Hauchdünn wie Papier sollen seine Hunderten Fladenbrote werden, die er binnen weniger Stunden bäckt. In dem 18-Millionen-Einwohner-Land Syrien beherrscht pro 25.000 Einwohner nur ein Bäcker diese Handwerkskunst.
Eine Legende? Mag sein, aber man will es glauben.
Den Teig aus Weizenmehl, Wasser, Salz und Germ knetet der 39-Jährige wie Pizzateig in der Luft, wälzt ihn über ein Luftkissen und kippt diesen Ballon-artigen Polster auf eine gusseiserne Backfläche.
Nach wenigen Sekunden wirft der blasse Teig Blasen und der Rand hebt sich ab.
Danach ein Aha-Erlebnis: so dünn und trotzdem so viel Geschmack.
Richtig angelaufen ist alles erst mit Mohammads Fähigkeit – seit vergangenem Jahr tischen Flüchtlinge im „Garten der Begegnung“ in Traiskirchen jeden Samstag bei schönem Wetter orientalisches Frühstück auf. Humus, Falafel, Baba Ghanoush (Püree aus Melanzani und Sesampaste), syrischer Käse, afghanisches Chutney und vielleicht das Wichtigste: Gemüse aus Eigenanbau.
Auf einem unwirten Grundstück neben dem Flüchtlingslager entstand vor drei Jahren ein öko-soziales Landwirtschaftsprojekt, das seitdem wächst und wächst.
Auf dem einen Hektar großen Grundstück, das die Gemeinde zur Verfügung stellte, ernten rund vierzig Flüchtlinge 2 bis 2,5 Tonnen Gemüse, Obst und Kräuter im Jahr: Ein Teil wird an den Sozialmarkt geliefert, ein Teil braucht das Team für Chutneys, Tees, Marmeladen, Sugos oder Kräutersalz und kleine Mengen der Rohkost werden für das orientalische Frühstück verarbeitet.
Der Bäcker als Lehrmeister
Für Garten-Obmann Nikolai Ritter ist das jedoch nicht die ganze Geschichte: "Es steckt so unglaublich viel Handarbeit in dem Garten. Das Frühstück war der Meilenstein, aber der Garten ermöglicht doch erst – abseits von Bahnhöfen – eine Begegnung mit Flüchtlingen."
Die kleine Oase blüht durch all ihre Helfer wie Delschad Bazari auf: Der Tischler und die gute Seele des Projekts, der mit seinen Kollegen bis zu 120 Frühstücksteller an sonnigen Tagen serviert – die Gäste kommen aus dem Burgenland, Traiskirchen, Wien oder sogar Kärnten für einen Tagesausflug.
Bazari: "Zu einem typisch syrischen Frühstück gehören Pita, Falafel, Käse, Oliven, Marmelade und Makdous – auch wir tischen sie auf, das sind eingelegte Melanzani mit Walnüssen, Pfeffer und Olivenöl gefüllt. Traditionell wird schwarzer Tee mit Zucker getrunken, aber im Garten brühen wir auch Kaffee nach syrischer Art auf: ungefiltert mit viel Kardamom." Nur für robuste Magen.
Dass in Traiskirchen ein talentierter Fladenbrot-Bäcker werkt, hat sich auch zu Barbara van Melle, Leiterin von Slow Food Wien, herumgesprochen. Sie engagierte den Vater von fünf Kindern, der einst in Dar’ā mit einem Geschäftspartner ein Unternehmen führte und Aufträge aus Dubai, Jordanien und dem Libanon erhielt, für vier Workshops in ihrem Brotback-Atelier.
Als anerkannter Flüchtling braucht Al Johmani keine eigene Beschäftigungsbewilligung.
Beide Termine waren binnen Stunden nur durch Verschicken des Newsletters ausgebucht. Bei einem Workshop feierte eine Braut mit ihren dreizehn Freunden in der Backstube ihren Polterabend. Auf dem Kursprogramm standen syrische Teigtaschen, die eingefroren wurden und von der Braut bei der Agape aufgetischt werden.
Auch in Syrien sind diese Teigtaschen ein traditionelles Hochzeitsgebäck. Van Melle: "Vor allem freut mich die Wertschätzung wirklich sehr, die Mohammad nun in Österreich erfährt. Warum soll es für Flüchtlinge nur Spenden-Aktionen geben? Er soll für sein Können bezahlt werden und keine Almosen bekommen."
Infos: gartenderbegegnung.com (Frühstück bei schönemn Wetter bis Anfang November); krusteundkrume.at, (Workshops mit Mohammad Al Johamani am 4. und 9. November im Brotback-Atelier)
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