Das (s)achte Weltwunder: Der Schwarzenbergische Schwemmkanal

Das (s)achte Weltwunder: Der Schwarzenbergische Schwemmkanal
Am Schwarzenbergischen Schwemmkanal wurde einst Holz befördert,heute tummeln sich Radfahrer und Wanderer an seinen gemächlichen Ufern.

Im Dreiländereck Oberösterreich-Bayern-Südböhmen dehnt sich der Böhmerwald aus. Sanfte Hügel, dichte Wälder und klare Bäche prägen das Gebiet auf 200 Kilometern. Es ist eines der ältesten Gebirge Mitteleuropas – und eines der waldreichsten. Adam Franz Fürst zu Schwarzenberg hat das anno 1719 dazu bewogen, hier große Waldgebiete zu kaufen. Der Zeitpunkt war gut gewählt, denn damals wuchsen die europäischen Städte. Holz zum Heizen und Bauen wurde dringend benötigt und der Böhmerwald war eine wichtige Zulieferquelle dafür.

Waldarbeit war dazumal ein Knochenjob, der Abtransport aus den unzugänglichen Hängen mit Pferden und Fuhrwerken schwierig und gefährlich. Josef Rosenauer hieß der Forstingenieur, der 1774 seinem Arbeitgeber, Fürst Schwarzenberg, einen Plan präsentierte, der die Arbeit erleichtern sollte. Rosenauers Idee: ein Wasserweg mit exakt 0,2 Prozent Gefälle, eingebettet in ein System aus Bächen und Durchlässen. Das sollte den Holztransport von den nördlichen Hängen des Böhmerwaldes über die europäische Hauptwasserscheide zur Großen Mühl ermöglichen, und von dort zur Donau weiter nach Wien.

Zeitgenossen hielten den Plan angesichts der vorhandenen Wasserscheide zwischen Donau und Moldau für undurchführbar. Rosenauer wurde belächelt. Auch der Fürst verweigerte zunächst seine Zustimmung. Doch Rosenauer war hartnäckig und von seinem Plan derart überzeugt, dass er dem Fürsten sogar anbot, die Baukosten für das erste Baujahr selbst zu tragen. Letztlich konnte sich Rosenauer durchsetzen. „Im Mai 1789 wurde mit dem Bau eines 1,8 Kilometer langen Probestücks zwischen Rosenhügel und Iglbach begonnen. 1791 wurde dann zum ersten Mal geschwemmt, also Holzstämme über das Wasser transportiert. Die Probe funktionierte und so wurde der Bau des Schwarzenbergischen Schwemmkanals in Angriff genommen“, sagt Reinhold List, Geschäftsführer der Ferienregion Böhmerwald. „Zwei Sommer lang errichteten gut 1.000 Arbeiter 87 Brücken, 158 Wasserrinnen, 22 Schleusen und 20 Steinwehre. Durch ein System von 27 Zuflussbächen, drei künstlichen und einem natürlichen Wasserreservoir, dem Plöckensteiner See, sollte das Wasser gerade in Fluss gehalten werden, um die Holzscheiter über die Wasserscheide zu schwemmen“, sagt Reinhold List. Die Wassermenge konnte mittels der Schleusen, der Zulaufflüsse und Wasserspeicher gut reguliert werden. List: „Der Kanal wurde 1789 eröffnet. Er galt dazumal als ingenieurtechnische Meisterleistung. Er wurde sogar als (s)achtes Weltwunder bezeichnet.“

Goldene Zeit

Kaum vorstellbar, welcher Betrieb zur Schneeschmelze an der Schwemme herrschte, oft wurde rund um die Uhr gearbeitet. „Für die Versorgung des Kanals mit Holz waren 40 ,Einwerfer’ zuständig. 300 Triftarbeiter sorgten dafür, dass die Scheiter vorankamen. An der Mündung waren weitere 350 Arbeiter mit dem ,Ausländen’, also dem Stapeln der Scheiter, und dem Verladen auf Schiffe und Flöße beschäftigt. Auf diese Weise wurden in der über 100 Jahre dauernden goldenen Zeit der Schwemme acht Millionen Raummeter Holz zur Großen Mühl getriftet“, erläutert Reinhold List. Dennoch kündigte sich mit dem Aufkommen von Kohle als neuem Brennstoff langsam das Ende des Kanals an. 1892 wurde der Holztransport nach Wien beendet und 1916 das letzte Mal vom Rosenhügel zur Großen Mühl geschwemmt. Auf tschechischer Seite wurde der Schwemmbetrieb zur Moldau 1961 eingestellt.

Wanderbeliebt

Dann wurde es still um den Kanal. Erst in den 1970er-Jahren gab es Ansätze, das Industriedenkmal aus dem Dornröschenschlaf zu holen. Auf österreichischer Seite waren es die Initiatoren Robert und Hermine Baldassari sowie der Tourismusverband Ferienregion Böhmerwald. Mit Unterstützung von EU und Land Oberösterreich wurde das kleine Weltwunder reaktiviert – und der idyllische Schwemmkanal dadurch heute ein beliebter Freizeitraum. Wer sich auf das Rad schwingt, kann Rosenauers Lebenswerk gemütlich in einem Tag entdecken. List: „Unterwegs am Schwemmkanal hat man die Möglichkeit, einen der ältesten Tunnel Mitteleuropas und etliche restaurierte Schleusen zu bestaunen. 50 Kilometer lang schlängelt sich der Schwarzenbergische Schwemmkanal auf beinahe autofreien Forststraßen durch den Böhmerwald. Der Radweg ist bei Familien und gemütlichen Radfahrern beliebt. Und weil Wasser bekanntlich nicht bergauf fließt, müssen sich auch die Radfahrer keinen Berg hinaufplagen“, macht List Lust auf einen Ausflug entlang des ruhigen Gewässers.

Wer den Kanal lieber zu Fuß erkundet, findet in St. Oswald eine schöne Spazierrunde. Der 4,3 km lange Rundweg führt zur Steilstufe. Mit Getöse stürzten die Scheiter einst bei Schneeschmelze den Kanal hinunter. Wenn sich das Holz verkeilte, wurden die nachfolgenden Scheiter oft meterhoch in die Luft geschleudert – abenteuerlich. Einen Eindruck von der Arbeit der Schwemmer kann man sich beim Schauschwemmen im Sommer machen. Ein reizvolles Erlebnis an den Gestaden eines Weltwunders.

  • 2. 8. 2023: Schauschwemme in Oberhaag bei der Schrollenbachschleuse
  • 02. 9. 2023 Schauschwemme und Saisonabschluss in Oberhaag bei der Iglbachschleuse


Für Gruppen können auf Anfrage gerne auch individuelle Termine vereinbart werden.  

Informationen:
Ferienregion Böhmerwald
Hauptstraße 2,
4160 Aigen-Schlägl

www.boehmerwald.at

 

Das (s)achte Weltwunder: Der Schwarzenbergische Schwemmkanal

Es braucht ein wenig Geschick, um die Stämme am Kanal voranzutreiben

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