Faszinierende Fähigkeit: "Wir sehen mit unseren Ohren"
Juan Ruiz steht vor einer offenen Tür in der Kärntner Straße. "Das ist wahrscheinlich ein Kleidergeschäft." Er geht einige Schritte weiter – "hier quert eine andere Straße" – und bleibt kurz danach exakt vor einem Hoteleingang stehen: "Hier ist wieder eine Tür." Ruiz öffnet sie, steht in einer Hotellobby: "Dieser Raum ist deutlich kleiner wie das Geschäft."
"Die Wände hören"
"Mit Echos haben blinde Menschen immer schon gearbeitet, aber eher passiv, dass sie zum Beispiel das ständig vorhandene Echo einer Hauswand wahrnehmen. Aber mit ihren Klicks verwenden sie die Echos aktiv, gleichsam als Fernseher", sagt Prof. Eva Hannemann vom BBI: "Früher konnten blinde Menschen einen Raum nur erforschen, wenn sie ihn entlang der Wände abgingen. Juan Ruiz macht das anders: Er steht im Raum und hört mithilfe der Echos seiner Klicks die Ecken und die Wände. Er muss nicht alles abgehen."
Heute komme man davon ab, mit Kindern bestimmte Wege zu trainieren: "Wir versuchen, ihnen die Möglichkeit zu geben, jeden Weg zu gehen. Die Methode bedeutet eine Erweiterung ihrer Möglichkeiten – und verhilft zu einem selbstständigen Leben."
In den vergangenen zwei Jahren konnten durch das vom Bildungsministerium finanzierte Projekt "Autonomie durch Zungenschnalzen" rund 130 Schülerinnen und Schüler in ganz Österreich circa 270 Trainings in der Klick-Sonar-Technik absolvieren. Diese Förderung lief heuer aus, die Serviceclubs Kiwanis Wien-Europa 1, Lions Wien-Belvedere und Wien-Vindobona sowie die Privatstiftung Berndorf finanzieren jetzt die Ausbildung. Unterstützung kommt auch von den Rotariern.
Ruiz: "Blinde Menschen gewinnen damit einfach mehr Freiheit. Wir sehen mit unseren Ohren."
Wie die Methode funktioniert
Ein Bild aus vielen Echos:
Die Methode wurde vom blinden US-Amerikaner Daniel Kish (Juan Ruiz ist ein Schüler von ihm) entwickelt. Dabei wird aus den zurückfallenden Echos von scharfen Zungenklicks ein dreidimensionales Bild der Umgebung erzeugt. Dieses Bild entsteht wie bei Sehenden im visuellen Cortex („Sehrinde“) des Gehirns. Es lernt, aus den eintreffenden Echos ein ähnliches Bild zu erzeugen wie Sehende aus Lichtsignalen.
Material, Form, Entfernung:
Der Schall wird von verschiedenen Materialien unterschiedlich reflektiert, dadurch kann eine Vielzahl von Oberflächenstrukturen differenziert werden. Die Entfernung eines Objektes ist durch die Verzögerung des Echos sehr genau hörbar. Auch die Form z. B. eines Gebäudes oder einer Rolltreppe kann durch mehrmaliges Zungenklicken erkannt werden.
Nähere Infos: www.echolokalisation.at
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