Wenn die Batterien völlig leer sind

Wenn die Batterien völlig leer sind
Sie gehen arbeiten, schupfen den Haushalt und erziehen Kinder: Frauen laufen besonders Gefahr auszubrennen.

Ich war nur noch eine leere Hülle, abgekoppelt von meinem inneren Ich", erinnert sich Lydia Hopfgartner. So litt vor etwa eineinhalb Jahren an einem schweren Burn-out. Ihre damalige Situation kennen viele Frauen: "Ich hab' zwei Kinder bekommen, für die ich hundertprozentig da sein wollte." Daneben arbeitete sie als selbstständige Steuerberaterin. "Ich ging weder in Mutterschutz noch in Karenz und fing sofort wieder zu arbeiten an." Mit fatalen Folgen für den Alltag: "Immer, wenn ich mit meinen Kindern gespielt habe, dachte ich an meine Arbeit. Habe ich gearbeitet, war ich mit dem Kopf bei den Kindern. Ich hatte andauernd ein schlechtes Gewissen, andauernd das Gefühl, nicht perfekt zu sein." Hopfgartner ist kein Einzelfall: "Unternehmerinnen leiden unter einer besonders großen Belastung. Das wissen wir aus Studien", sagt Paul Jiménez Psychologe an der Uni Graz.

Fehlerlos

Wenn die Batterien völlig leer sind

Aber auch viele Arbeitnehmerinnen sind Burn-out-gefährdet, berichtet Psychologin Michaela Höfer. Sie erinnert sich etwa an eine Sekretärin, die stets alles fehlerlos gemacht hat. "Wenn es zu viel Arbeit gab, hat sie die einfach mit nach Hause genommen. Das Problem ist, dass viele Frauen nie gelernt haben, Grenzen zu setzen. Sie meinen, sie müssten alles meistern." Oft beginne ein Teufelskreis: "Weil sie so gut arbeiten, bekommen sie noch mehr Aufgaben aufgehalst und nicht der Kollege oder die Kollegin, die eigentlich noch Ressourcen hätten." Bei Frauen komme noch hinzu, dass sie zwar emanzipiert seien, aber dennoch ein überliefertes Rollenverhältnis verinnerlicht hätten. "Das heißt, sie kommen heim, bügeln die Wäsche, leeren den Geschirrspüler und kochen Abendessen." Sie haben nicht gelernt, "Nein" zu sagen, attestiert Höfer. Das bestätigt auch Lydia Hopfgartner: "Ich habe zu allem Ja gesagt." Aber irgendwann konnte sie nicht mehr. Zuerst zeigte ihr der Körper deutliche Signale, die sie aber nicht sehen wollte. "Ich hatte im wahrsten Sinn des Wortes die Nase voll. Andauernd musste ich wegen einer chronischen Kieferhöhlenentzündung zum Arzt. Ich konnte nicht mehr schlafen. Und wenn doch, hatte ich Albträume." Gleichzeitig nahm sie einige Kilos ab, "obwohl ich mich nicht anders ernährte als früher". Ihr Nervenkostüm wurde extrem dünn. "Wegen jeder Kleinigkeit begann ich zu heulen." Dann kam der Zusammenbruch: "Die alltäglichen Dinge waren eine Herausforderung, als ob ich den Kilimandscharo besteigen müsste. Schon das Anziehen machte mir Mühe."

Urlaub

Der Wendepunkt kam, als ihr Mann die junge Mutter eine Woche auf Urlaub schickte: "Ich war allein und hatte Zeit, über mich nachzudenken. Ich habe mein Leben komplett hinterfragt und beschloss, eine Therapie zu machen." Den Beruf als Steuerberaterin hat sie aufgegeben und coacht jetzt Menschen, die Gefahr laufen auszubrennen. Ihr neues Lebensmotto ist die "80/20-Regel: Hör mit dem auf, was dir 80 Prozent deiner Energie nimmt, aber nur 20 Prozent Ertrag bringt. Behalte das, was dich 20 Prozent Energie kostet und 80 Prozent Ertrag bringt - das kann dein Gehalt, Freude oder Sinnstiftung sein." Höfer weiß, dass Leistungsträger ein hohes Risiko haben auszubrennen. Sie fordert Betroffene auf, nicht zu schweigen: "Wer sich outet, bekommt Hilfe", ist ihre Erfahrung. Ein Fragebogen, mit dem jeder sein persönliches Burn-out-Risiko testen kann, steht auf der Homepage des Research-Teams, bei dem Höfer arbeitet.

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