Seelische Krisen früh behandeln

Nicht für jede Frau sind Schwangerschaft und die Wochen danach eine glückliche Zeit. Kompetente Gesprächspartner können ihnen helfen.
Depressionen und Ängste vor und nach der Geburt werden häufig tabuisiert. Gegensteuern hilft Mutter und Kind.

Die Schwangerschaft ist die schönste Zeit im Leben einer Frau", heißt es in einem alten Sprichwort. Für jede vierte Frau in "guter Hoffnung" stellen sich aber gerade in dieser Lebensphase seelische Probleme ein.

Häufig werden diese Krisen aber nicht erkannt, weil sie eben nicht dem gängigen Ideal der strahlenden Schwangeren und Jungmama entsprechen. In Wien widmet sich erstmals ein mit internationalen Experten besetztes Symposion diesem Thema, das erst jetzt in den Fokus rückt. Laut Studien sind alleine in Wien pro Jahr 3000 Mütter von einer postpartalen (nachgeburtlichen) Depression betroffen, rund 1500 durchleben sogar schwere psychische Krisen. Österreichweit liegen keine genauen Zahlen vor. Experten gehen aber von einer ähnlichen Größenordnung aus.

"Ein Kind zu empfangen, auszutragen und zur Welt zu bringen, ist zweifellos eines der einschneidendsten Erlebnisse in einem Frauen­leben", sagt Univ.-Prof. Beate Wimmer-Puchinger, Psychologin und Frauengesundheitsbeauftragte der Stadt Wien. Aber: "Neben positiven Hochgefühlen und Freude stellen sich nicht selten Angst, Unsicherheit und Schuldgefühle ein." Sie hört oft von Betroffenen: "Eigentlich sollte ich doch glücklich sein." Tatsächlich aber schleppen sie sich durch den Tag, grübeln zwanghaft und verzweifeln an Sorgen und Ängsten.

Früh behandeln

Die gefährdeten Frauen früh herauszufiltern, sie in ihrer Krise ernst zu nehmen und rechtzeitig mit Gesprächen oder Psychotherapie gegenzusteuern, bringt langfristige Vorteile. Nicht nur für die Mutter, auch für das Kind. Wimmer-Puchinger: "Wir wissen aus Studien, dass Frauen in Stresssituationen ein erhöhtes Risiko für Frühgeburten, geringes Geburtsgewicht und Entwicklungsverzögerungen haben."

Nach der Geburt können durch eine seelische Krise das Mutter-Kind-Verhältnis und damit Bindefähigkeit und Vertrauen des Babys negativ beeinflusst werden. Aus der Epigenetik (Umwelteinflüsse haben Einfluss auf die genetische Programmierung) ist bekannt, dass schon während der Schwangerschaft spätere Krankheiten und Fehlfunktionen "programmiert" werden können.

Mit der Thematisierung psychischer Krisen sollen Schwangerschaft und Geburt keinesfalls schlecht gemacht werden, betont Wimmer-Puchinger. "Der Großteil der Frauen hat keine Probleme. Es ist aber auch Realität, dass es Schwangere mit seelischen Problemen gibt. Wir wollen enttabuisieren. Diese Frauen sind ja keine schlechten Mütter."

Info: "Baby an Bord, Mutter über Bord"

Symposion Die wissenschaftliche Tagung "Baby an Bord – Mutter über Bord" (17. September, 9 bis 18 Uhr im Wiener Rathaus) beschäftigt sich ganzheitlich und interdisziplinär mit seelischen Krisen rund um Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit. Die Referenten sind Ärzte, Psychologen und Pflegeexperten und kommen aus Österreich und Deutschland.

Hilfe Im Wiener Wilhelminenspital gibt es die FEM-Elternambulanz (türkischsprachige Beratung jeweils Mittwochvormittag), im Otto-Wagner-Spital die Spezialambulanz für peripartale Psychiatrie. Kostenlose Broschüren sind unter 01/4000-87162 erhältlich. In den Bundesländern engagiert sich etwa das Krankenhaus in Braunau/Inn für dieses Thema (OÖ).

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