Zwei Texte in zwei Stunden
Geschafft! Die ersten zwei Tage der Zentralmatura haben Österreichs Schüler bereits hinter sich. Am Montag war Deutsch an der Reihe und am Dienstag Englisch. Wie es den Schülern und Lehrern erging, berichten sie im KURIER.
Für die Salzburger Maturantin Bianca Ebner war die Deutsch-Matura leicht zu bewältigen: "Die Zeit hat locker ausgereicht", erzählt sie. Für manche Schüler war es vielleicht etwas zu locker. Sie haben bereits nach zwei Stunden ihre Matura-Arbeit abgegeben. War es also zu leicht? "Nein", sagt Christian Schachinger, Direktor der AHS Peuerbach: "Die Aufgaben waren offen gestellt. So kann ein guter Schüler daraus eine hervorragende Arbeit machen und ein schwacher kommt auch durch."
Schachinger hat selbst heuer eine 8. Klasse zur Matura geführt. "Ich habe mir den Luxus gegönnt, noch eine alte Matura zu machen", erzählt der Oberösterreicher. Er ist überzeugt, dass die Zentralmatura auch den Unterricht ändern werde: "Es wird zukünftig mehr Wert aufs Schreiben gelegt." Der Wermutstropfen: "Es werden weniger Dramen und Romane im Ganzen gelesen. Die Muße geht verloren, weil es kaum Zeit und Raum zum Lernen gibt."
Gut formuliert
Eines ist dem bifie, das die Matura-Arbeiten formuliert hat, gelungen: "Die Fragestellungen waren gut ausgewählt und formuliert. Besser als bei der Probeschularbeit", sagt Miriam Sagmeister aus der Steiermark. Die Schülerin fürchtet sich mehr vor der Mathematik-Zentralmatura, zu der sie am Freitag antreten muss. Wohl nicht nur sie. Weil sich hier Schüler und Lehrer wenig vorbereitet fühlen, haben sich nur wenige zur zentralen Reifeprüfung angemeldet (siehe Grafik).
Anders ist das in Englisch, wo es seit Jahren zentrale Prüfungen gibt. Etwa in der AHS Astgasse Wien, eine Versuchsschule, die seit Jahren dieses Testformat übt. Direktor Hubert Kopeszki ist entspannt: "Die Ergebnisse sind im Schnitt um eine Note besser als bei Schularbeiten." Besonders nervös waren dagegen einige seiner Schüler: "Die U-Bahn hatte eine Störung. Schüler steckten 45 Minuten fest und kamen 10 Minuten zu spät."
19 Seiten lang war die Aufgabenstellung der Deutsch-Matura. Seit Jahren bereiten sich die Schüler darauf vor, dass sie zumindest verstehen, was von ihnen verlangt wird. "Ihnen werden drei Themenpakete mit je zwei Aufgaben vorgelegt. Wählen Sie eines der drei Themenpakete und bearbeiten Sie beide Aufgaben", heißt es in der Erklärung auf der ersten Seite.
Als Hilfsmittel dürfen bei der Matura gedruckte und elektronische Wörterbücher verwendet werden, aber nicht Lexika oder andere elektronische Informationsquellen. Wer am Computer schreibt, muss das Rechtschreibprogramm ausschalten, steht in der Anweisung. 300 Minuten beträgt die Arbeitszeit.
Beim literarischen Thema zum Umgang mit Natur und Umwelt zeigt sich schnell die Veränderung der Sprache: Im Text "Die Schnecke" des Autors Manfred Hausmann aus dem Jahr 1947 wurde die alte Rechtschreibung beibehalten. Kommentieren und analysieren mussten die Schüler den zweiseitigen Text nach den aktuellen Schreibregeln. Die zweite Aufgabe war eine Erörterung zum Thema Drei-Schluchten-Damm in China.
Neue Medien
Aus dem Leben gegriffen war der zweite Themenbereich: Neue Medien. Dabei sollten die Schüler basierend auf einem Zeitungsartikel eine Empfehlung abgeben, ob Twitter in den Unterricht eingebettet werden sollte. Aus dem Intellektuellen-Blatt Die Zeit kam eine Anregung für die zweite Hälfte der Aufgabe: Ein Kommentar über das Thema "Verlust der Sprachkompetenz durch Handy & Co". Zwischen 405 und 495 Wörtern sollte dieser Text haben.
Zeitgemäß war auch der dritte Themenblock: "Rückkehr zu traditionellen Werten?" Da sollten die Schüler eine Meinungsrede zu zwei Artikeln über die Gegenbewegung zur Globalisierung und über Heimatgefühl schreiben. Und außerdem einen fundierten und sachlich strukturierten Leserbrief zu einem anderen Artikel zu diesen Themengebieten.
Im Fach Englisch gibt es schon seit Jahren eine Zentralmatura. Nur die Benotungsschlüssel ändern sich. Besonders überraschen: "Wir Lehrer haben am Dienstag 15 Uhr den Korrekturschlüssel erhalten", erzählt ein Englischprofessor aus Wien. "Plötzlich reichen nicht mehr 60 Prozent, die Schüler müssen vielmehr 63 Prozent der Punkte erreichen. Das war so nicht ausgemacht."
Auch Schülervertreter sind empört. Mehr noch: "In jeder Schularbeit muss klargestellt werden, wie viel Punkte es je Aufgabe geben kann. Bei den Zentralmatura-Aufgaben war das anders, Da war nicht klar, wie viele Punkte es für eine Aufgabe gibt", heißt es in einer Aussendung der Schülerunion.
Insgesamt mussten die Maturanten vier Prüfungsteile lösen: Listening und Reading (Hören und Lesen, Anm.) war in Teil 1 zu bewerkstelligen. Im 2. Teil waren die Prüfungsformate Writing und Language in Use (Schreiben und Sprache im Kontext, Anm.) zu bewältigen. Die Schwierigkeiten für die Schüler: Sie müssen insgesamt mehr als 60 Prozent der Punkte haben, um die Matura erfolgreich abzulegen. Mehr noch: Sie müssten in jedem der zwei Teile mindestens die Hälfte der Punkte haben.
Georg Kobinger kam dabei ganz schön unter Zeitdruck: "Zwei Texte in 120 Minuten, die man auch noch ins Reine schreiben muss", sagt der Grazer Maturant. Nicht nur er kam dabei ins Trudeln. Andernorts hatte man Probleme mit den Höraufgaben. Christian Schwaiger, Administrator an der AHS in der Au in Innsbruck berichtet: "Im Listening-Teil wurde schnell gesprochen. Die Fragen dazu waren nicht logisch."
In einer Aussendung will das bifie darlegen, warum es den Notenschlüssel geändert hat. Die Argumentation im Wortlaut:
„Das österreichische Modell der Englisch-Matura wurde 2013 mit dem British Council
Innovation Award ausgezeichnet, es gilt als hervorragendes Beispiel eines fairen, schülernahen
Verfahrens“, so bifie-Direktor Martin Netzer zur aktuellen Diskussion um die Beurteilungskriterien bei
der Englisch-Matura. „Die Aufregung rund um den Benotungsschlüssel möchte ich klären. Das BIFIE
hat in Schulungen und auch in Schreiben an alle Schulleitungen und die Schulaufsicht immer von
60 % als Richtwert gesprochen, der je nach Schwierigkeitsgrad der Prüfungen variieren kann. Das
bedeutet: Wenn eine Prüfung vergleichsweise schwierig ist, dann müssen etwas weniger Punkte
erreicht werden im Vergleich zu Prüfungen, die tendenziell etwas leichter sind. Dieses Vorgehen sorgt
für Fairness und Vergleichbarkeit“, so Netzer.
„Heuer wurden aus dem Pool an möglichen Aufgaben Prüfungspakete bestimmt, die tendenziell etwas
leichter sind, deshalb müssen etwa die Schüler/innen an AHS in Englisch 63 % erreichen. Das ist
korrekt und entspricht dem neuen Benotungsprinzip. Und es ändert auch nichts am Ablauf der Matura
selbst“, unterstreicht Netzer. „Über diese neue Art der Benotung waren Schüler/innen und
Lehrer/innen informiert, die Bundesschülervertretung im Rahmen des Treffens mit Vertreter/innen des
BMBF am 10. Dezember 2013. Den Schulleiter/innen und der Schulaufsicht hat das BIFIE im April
umfassende Informationen per E-Mail zukommen lassen“, stellt Netzer klar.
Carol Spöttl, unter deren Leitung das Prüfungsmodell für die lebenden Fremdsprachen an der
Universität Innsbruck maßgeblich mitentwickelt wurde, ergänzt: „Wir können anhand von tausenden
Schülerarbeiten belegen, dass das neue Beurteilungsmodell fairer und transparenter ist als die
bisherige Praxis. Die positiven Erfahrungen der letzten Jahre unterstreichen das ausnahmslos“, so
Spöttl weiter.
Die Bedeutung des sogenannten Cut Scores, der aktuell für Diskussionen sorgt, erklärt Spöttl wie
folgt: „Der Cut Score trägt dem Umstand Rechnung, dass es nicht möglich ist, Texte für die
Überprüfung der Lesekompetenz zu finden, die bei jedem Matura-Termin exakt gleich schwierig sind.
Dasselbe gilt auch für die Hörbeispiele. Um die Matura fair und auf konstantem Anspruchsniveau zu
halten, muss also ein Bewertungsmaßstab geschaffen werden, der sicherstellt, dass schwierigere
Aufgaben weniger ins Gewicht fallen als leichtere Aufgaben.“
„Ein Cut Score von 63 % bedeutet keineswegs, dass die Kandidatinnen und Kandidaten mehr können
müssen, um eine positive Note zu erhalten. Fakt ist: Weil diese Matura einige etwas leichtere
Aufgabenstellungen beinhaltet, die Matura insgesamt aber nicht leichter sein soll als die Matura im
Folgejahr oder die Matura beim Nebentermin im Herbst, muss der Cut Score leicht angehoben
werden. Bei einer Matura, die einige etwas schwierigere Aufgaben enthält, muss der Cut Score
hingegen etwas niedriger sein, weil es unfair wäre, bei schwierigen Aufgaben genau dieselbe
Lösungsquote zu verlangen wie bei leichteren“, unterstreicht auch der internationale Berater des
Projekts, Prof. Charles Alderson von der Universität Lancaster.
„Ich bin überzeugt, dass die Ergebnisse der Matura auch dieses Jahr – ebenso wie in den
Schulversuchen der vorangegangenen Jahre – überwiegend positiv sein werden“, so Carol Spöttl
abschließend.
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