Apropos Jonas Kaurek: So viel Papa braucht ein Kind

Kinder brauchen ihren Vater, auch wenn er woanders wohnt
Fast die Hälfte aller Männer verliert sein Kind nach der Scheidung aus den Augen. Alle leiden.

Der zehnjährige Jonas wünscht sich in einem langen Brief mehr Kontakt zu seinem Papa. Ein Verlag macht daraus ein Buch, der Rest ist Geschichte: Das Gespräch mit dem Buben im "KURIER am Sonntag" sorgte für große Anteilnahme. Doch diese Geschichte ist kein Einzelfall. Christine Laimer vom Familienbund kennt die Statistik: "41 Prozent der Väter haben 3,5 Jahre nach der Trennung keinen Kontakt mehr zu seinem Kind." Als Familienrechtsanwältin und Mediatorin erlebt Katharina Braun alle Facetten einer Trennung: "Vor Gericht wird um Unterhalt oder Sorgerecht gestritten und sogar darum, wann das Kind zu Weihnachten bei der Mama und wann beim Papa ist. Manche Kinder fordern gerichtlich ein, dass ihr Vater sie besucht oder dass sie erfahren, wer ihr Erzeuger ist."

Sie sieht sich vor allem als Vertreterin der Kinder und nicht der Eltern. "Es ist für junge Menschen wichtig, einen stabilen Rahmen zu bilden, der langfristig hält", betont Braun. "Es nützt nichts, wenn ein Elternteil bei einer Scheidung auf ein weites Kontaktrecht drängt, dies jedoch in der Praxis an seinen beruflichen Belastungen scheitert." Dabei ist es wichtig, klare Abmachungen zu treffen (siehe rechts).

Kinder fühlen sich schuldig

Wie die Gerichte urteilen, hält KURIER-Family-Coach Martina Leibovici-Mühlberger oft für problematisch: "Die Regelungen zur Doppelresidenz, also dass die Kinder abwechselnd bei Mutter und Vater wohnen, sind ein richtiger Schritt. Aber mir fehlt der Perspektivenwechsel von den Rechten der Elternteile hin zum Recht des Kindes." Im Zentrum müsse die Frage stehen: "Was braucht das Kind?"

Anwältin Braun beobachtet, wie Kinder leiden, wenn Eltern nur mit sich selbst beschäftigt sind: Manche äußern während Gerichtsverfahren Selbstmordgedanken, laufeb von zu Hause davon oder entwickeln Essstörungen.

Die Leidtragenden sind die Kinder, weiß auch Coach und Autor Matthias Völchert ("Trennung in Liebe"): "Wenn aus einem Grund ein Elternteil wegfällt, steht immer die Frage nach der Schuld im Raum. Und die suchen Kinder bei sich." Bei schwelenden Konflikten leiden sie darunter, dass sie einen Teil des Vaters in sich tragen und diese Hälfte von der Mutter abgelehnt wird. "Hier ist es wichtig, die Person vom Verhalten zu trennen: Ich respektiere meinen Ex dafür, dass er der Vater meines Kindes ist."

Vätervereine berichten von verzweifelten Männern, deren Ex-Frauen die Beziehung zu den Kindern hintertreiben. Manche blocken mit Ausreden die Besuchszeiten ab oder manipulieren die Kinder, bis sie ihren Vater nicht mehr sehen wollen. "Der Mangel einer Vaterrolle kann sich aber später rächen: Kindern fehlt der Vater, um sich im Zusammenleben und im Konflikt selbst zu entwickeln. Von manchen wird der abwesende Vater zum Idealbild hochstilisiert, andere suchen sich Vorbilder außerhalb der Familie", sagt Völchert.

In der Pubertät wird es für die Jugendlichen noch schwieriger, berichtet Laimer. "Auf ihrer Identitätssuche fordern sie die Beziehung mit dem Vater ein. Ich kenne Pubertierende, die im Streit mit der Mutter zum Vater ziehen." Die Beziehung zu beiden Eltern ist nämlich prägend: "Fühlt sich das Kind vom Vater oder von der Mutter abgelehnt, glaubt es, dass es nicht liebenswert ist. Das hat dauerhafte Folgen. Denn: Nur wer geliebt wird, kann später auch selbst lieben."

Wenn sich die Eltern trennen, bedeutet das oft, dass der Kontakt zu einem Elternteil einschläft. Dabei brauchen Kinder Vater und Mutter. Christine Laimer vom Familienbund weiß, wie die Beziehung zu beiden Eltern erhalten bleibt. Sie nennt sechs wichtige Regeln.

Kommunikation: Wenn Vater und Mutter regelmäßig miteinander reden, gibt es weniger Konflikte. Manchmal werden nämlich aus Kleinigkeiten große Streitereien.

Regelungen: Wie lange darf der Vater das Kind besuchen? Wo darf es Weihnachten, verbringen? Je genauer das festgehalten ist, desto weniger Konflikte sind vorprogrammiert. Besonders wenn ein Elternteil einen neuen Partner hat, sind klare Abmachungen ein Segen.

Alltag: Kinder brauchen nicht nur Schönwetter-Papas. Sie sollten auch im Alltag präsent sein, also mit dem Sohn zum Zahnarzt oder auf den Fußballplatz gehen.

Nicht schlechtmachen: Jedes Kind fühlt sich als ein Teil von Vater und Mutter. Wenn einer schlecht über den anderen redet, macht er damit das eigene Kind schlecht.

Kontakt: Verhindern Sie den Kontakt zum Ex nicht. Denn in oder spätestens nach der Pubertät suchen die Kinder den Kontakt nach dem „unbekannten“, oft idealisierten, Vater. Die Folge: Manche Jugendliche erstreiten vor Gericht, dass sie zu ihren Vätern ziehen dürfen.

Entscheiden

Aufgabe von Eltern ist es, Entscheidungen zu treffen. Das gilt auch für Besuche beim Ex. Mütter sollten deshalb nie fragen: „Willst du zum Papa?“. Kinder sagen da meist „Nein“, wenn sie merken, dass die Mama den Papa nicht mag. Erziehungsberchtigte müssen klar sagen: „Heute besuchst du Papa.“

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