"Ich bin kein Rassist, aber..."
Ein einziges Wort genügt und sofort läuft im Kopf ein Film ab. Denken Sie etwa an „Lebensmensch“. Im Jahr 2008 bezeichnete Stefan Petzner den Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider nach dessen Unfalltod so. Ein anderes ist „Frankschämen“ – dieses Gefühl, das jemanden beim Betrachten der skurrilen TV-Auftritte des Austrokanadiers Frank Stronach überkommt. Es wurde 2013 zum „Wort des Jahres gewählt. Stets spiegelt diese Wort-Wahl das aktuelle Thema der Zeit.
Wort des Jahres
Das gilt auch für „Willkommenskultur“ als Wort des Jahres 2015. Es wird uns in einigen Jahren noch daran erinnern, wie Österreicher Flüchtlinge empfangen und versorgt haben. Gekürt wurde es von der Jury der Forschungsstelle Österreichisches Deutsch (Uni Graz). Die landesspezifische Wahl „erfand“ der Germanist Rudolf Muhr. Von 1971 bis 1998 wurde nämlich nur für den gesamten deutschen Sprachraum ein Begriff gekürt – 1991 zum Beispiel Besserwessi. „Für Österreich hatte das keine Bedeutung“, sagt Muhr. „Wir haben zwar eine ähnliche Sprache, leben aber in politisch und sozialen anderen Verhältnissen.“ Das drückt sich in Wortschöpfungen aus – Hacklerregelung versteht in Deutschland niemand.
„Besondere bauliche Maßnahmen“ ist ebenfalls ein originär österreichischer Begriff und Unwort des Jahres 2015. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner meinte damit schlicht einen Grenzzaun zwischen Österreich und Slowenien. Muhr: „Das ist ein klassischer Fall österreichischer Politiksprache, die Klarheit und Eindeutigkeit vermissen lässt und die Bevölkerung durch bewusst gewählte Unklarheit verwirrt.“
Unspruch des Jahres
Dass das Flüchtlingsthema nicht nur in den Medien, sondern auch am Stammtisch Thema Nummer eins ist, zeigt der „Unspruch des Jahres 2015“: Das „Ich bin kein Rassist, aber...“ kommt immer dann zum Zug, wenn man gegen Asylwerber und Migranten etwas Verächtliches sagen will. „Die Behauptung ist ein reines Lippenbekenntnis“, urteilt die Jury. Die hat übrigens festgestellt, dass heuer besonders viele „herabwürdigende Begriffe“ als Kandidaten vorgeschlagen wurden. „Wohlstandsflüchtling“ und „Invasionskollaborateur“ gehören dazu. „Die Rechte ist bei solchen Wortschöpfungen besonders erfinderisch“, sagt Muhr. Das gelte auch für „Lügenpresse“. „All diese aggressiven Begriffe sind ein Indikator für eine politische und soziale Entwicklung“, stellt Muhr fest. Er hofft, „dass das Wort und Unwort des Jahres für Menschen ein Anlass ist, um über den eigenen Sprachgebrauch nachzudenken.
Worüber heuer noch geredet wurde? Über Fußball: „Frankreich, wir kommen“, freute sich Teamchef Marcel Koller und kreierte somit den „Spruch des Jahres“. Schließlich hat sich die Nationalmannschaft erstmals für die Europameisterschaft qualifiziert. Und das ist gar nicht „zach“.
Jugendwort des Jahres
Womit wir beim Jugendwort des Jahres 2015 sind. Was es bedeutet, wissen ältere Semester – jetzt hat das Wort eine erweiterte Bedeutung – für alles, was mühsam ist. Auf Platz 2: rumoxidieren (absolut faul sein). Bei allen beliebt war das Wort „filzmaiern“ – heißt: auf alle Fragen spontan eine scheinbar kompetente Antwort geben, so wie der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier.
Bei der Wahl zum „Wort des Jahres“ gingen heuer 2700 Vorschläge für alle Kategorien ein: „Die Jury trifft dann eine Vorauswahl. So ist gewährleistet, dass auch Mehrheiten für die Begriffe zusammenkommen“, begründet Muhr.
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