"Als blinder Mensch fühlt man sich oft rasch ausgeschlossen", sagt Stefan Förster, 73. Er lebt seit April im Wohn- und Pflegeheim der Österr. Blindenwohlfahrt (ÖBW). "Aber hier hat man das Gefühl, von lauter Freunden umgeben zu sein."
"Dieses Haus ist einzigartig: Es gibt Einrichtungen für blinde und solche für demente Menschen. Aber es existiert keine vergleichbare Einrichtung für Menschen, die – so wie ein Teil unserer Bewohner – blind und dement sind", sagt Geschäftsführerin Brigitte Fila. "Blind und dement ist eine der größten Herausforderungen in der Pflege. Unser Ziel ist es, den Menschen das Gefühl zu geben, dass sie trotzdem selbstständig und frei leben können – unabhängig von ihrem Gesundheitszustand."
"Die Bedürfnisse blinder Menschen gehen in einer normalen Umgebung leicht verloren", so ÖBW-Pflegedienstleiterin Eva Oder: "Das beginnt schon bei der Kontaktaufnahme." Anders ist dies bei Blinden untereinander: "Sie wissen, wie Sie sich gegenseitig bemerkbar machen."
Wer von Geburt an blind ist, kann auch im Alter relativ selbstständig sein: "Ein junger Mensch lernt ganz selbstverständlich, mit dem Langstock zu gehen und die Bodenleitsysteme zu verstehen und damit umzugehen", betont Hausmanagerin Monika Honeder. "Davon profitiert er im Alter. Kommen dann andere Einschränkungen dazu, nimmt die Pflege darauf besondere Rücksicht." Nochmals anders sei das, wenn Erwachsene z. B. durch eine Makuladegeneration oder einen Schlaganfall erblinden. "Da ist das Erlernen dieser Hilfsmittel viel schwieriger und es kommt die Traurigkeit über den Verlust des Augenlichts dazu. In Kombination mit anderen Behinderungen wird die Bewältigung des Alltags dann noch schwerer."
"Mehr Personal"
Sehende demente Menschen verstehen Piktogramme wie Damen- oder Herrentoilette, sagt Oder. Große rote Orientierungspunkte helfen ihnen ebenfalls. Oder man kann ihnen deuten, mitzukommen.
Fila: "Das alles geht bei Blinden nicht. Und auch ein Pflegeroboter wird da keine Lösung sein. Die einzige Möglichkeit, das zu bewältigen, ist speziell geschultes Personal." Das gibt es in dem Haus in Penzing. "Und wir haben täglich Zusatzangebote – Aromapflege, Vorlesestunden, eine Gesellschaftsrunde, viele Konzerte für jeden Musikgeschmack, Kunsttherapie und die Betreuung der Hochbeete", sagt Oder. Bei der Orientierung hilft auch ein intelligentes analoges Handlaufsystem im Haus und im 5000 Quadratmeter großen Garten: An der Zahl von leicht hervorstehenden Schrauben erkennen die Bewohner: Hier kommt ein Aufzug (drei Schrauben), hier eine Wegkreuzung (zwei Schrauben), hier steht eine Bank (eine Schraube).
Die Reinigungskräfte heißen Stubenfrauen und sind ebenfalls Hausangestellte. Fila: "Sie wissen genau, in welcher Ordnung sie für jeden einzelnen Bewohner die Wäsche einschlichten müssen, damit diese dann nachher auch alles finden."
Ordnung herrscht auch beim Tischdecken. Dieses erfolgt nach dem Uhrsystem: "Das Trinkglas etwa steht immer auf 13 Uhr, so wissen die Bewohner, wo sie hingreifen müssen." Gekocht wird übrigens auch im Haus: "Der Geruchssinn spielt eine viel größere Rolle – es ist für alle ein Erlebnis, wenn sich der Essensduft durch das Gebäude zieht." – Honeder: "Es ist wirklich sehr reizvoll, unsere Welt zu entdecken."
Ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesucht
Einzigartige Einrichtung
120 blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen leben im Johann-Wilhelm-Klein-Haus der Österr. Blindenwohlfahrt in Wien-Penzing, zwei Drittel davon im Pflege-, ein Drittel im Wohnbereich. Die älteste Bewohnerin ist 99, die jüngste 42 Jahre alt.
Großes Angebot
Für die verschiedenen Tagesaktivitäten sucht das Johann-Wilhelm-Klein-Haus (1140; Baumgartenstr. 69) dringend ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Telefonische Infos: 01 / 9141141-630 eMail: info@blind.at www.blind.at
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