Wie gefährlich sind Computerspiele?

Wie gefährlich sind Computerspiele?
Auf Servus TV diskutiert KURIER-Chefredakteur Helmut Brandstätter über Sinn oder Gefahr von Computerspielen.

Mit Computerspielen werden Milliarden umgesetzt. Der Markt ist umkämpft. Neue Konsolen, neue Spiele und neue Geschäftsmodelle konkurrieren miteinander um die Zocker der Zukunft. Die Methoden der Industrie werden dabei immer ausgeklügelter. Datenschützer warnen vor dieser Entwicklung. Besonders Kinder verfallen dem Drang, Geld für Zusatzinhalte ihrer Lieblingsspiele auszugeben.

Zu bekannten Problemen wie dargestellte Gewalt und Computerspielsucht, kommen Online-Zwang und technische Entwicklungen wie Bewegungssteuerung oder Gesichtserkennung. Die Begeisterung für immer komplexere Spiele trifft auf den Vorwurf der Abzocke und der Überwachung. Wie sinnvoll oder gefährlich sind Computerspiele wirklich?

Diesem Thema widmet sich ab 22:15 Uhr auf ServusTV der Talk im Hangar 7. Unter der Leitung von KURIER-Chefredakteur Helmut Brandstätter diskutieren:
Regine Pfeiffer - ehemalige Deutschlehrerin und Computerspielkritikerin
Malte Behrmann - Jurist und Vertreter der europäischen Spieleentwickler
Fabian Siegismund - Computerspielexperte und -tester
Andreas Krisch - Datenschützer
Carola Elbrecht - Verbraucherschützerin
Peter Vitouch - Medienpsychologe

    Hirnregionen lassen sich gezielt trainieren: Videospielen vergrößert Hirnbereiche, die für räumliche Orientierung, Gedächtnisbildung, strategisches Denken sowie Feinmotorik bedeutsam sind. Das zeigt eine aktuelle Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und der Psychiatrischen Universitätsklinik der Charité im St. Hedwig-Krankenhaus. Die positiven Effekte von Videospielen könnten auch bei der Therapie psychischer Störungen zum Tragen kommen.

    Um herauszufinden, wie sich Videospielen auf das Gehirn auswirkt, ließen die Wissenschaftler aus Berlin Erwachsene über zwei Monate hinweg täglich 30 Minuten das Videospiel „Super Mario 64“ spielen. Eine Kontrollgruppe durfte nicht spielen. Mit Hilfe der Magnetresonanztomographie (MRT) wurde die Struktur des Gehirns vermessen. Im Vergleich zur Kontrollgruppe zeigte sich bei den Videospielprobanden eine Vergrößerung einiger Bereiche der grauen Substanz, in der sich die Zellkörper der Nervenzellen des Gehirns befinden. Die Vergrößerung umfasste den rechten Hippokampus, den präfrontalen Kortex und Teile des Kleinhirns. Diese Hirnareale sind unter anderem für räumliche Orientierung, Gedächtnisbildung, strategisches Denken sowie für die Feinmotorik der Hände von zentraler Bedeutung. Interessanterweise waren diese Veränderungen umso ausgeprägter, je mehr Spaß die Probanden beim Spielen hatten.


    "Volumenzuwachs"

    „Während vorhergehende Studien veränderte Hirnstrukturen bei Videospielern lediglich vermuten konnten, können wir mit dieser Studie einen direkten Zusammenhang zwischen dem Spielen und einem Volumenzuwachs nachweisen. Das belegt, dass sich bestimmte Hirnregionen durch Videospielen gezielt trainieren lassen“, sagt Studienleiterin Simone Kühn, Wissenschaftlerin am Forschungsbereich Entwicklungspsychologie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung. Deshalb vermuten die Forscher, dass sich Videospiele für die Therapie von Erkrankungen eignen könnten, bei denen die entsprechenden Hirnregionen verändert sind. Das ist zum Beispiel bei psychischen Störungen wie der Schizophrenie, der posttraumatischen Belastungsstörung oder neurodegenerativen Erkrankungen wie der Alzheimer-Demenz der Fall.

    „Viele Patienten werden Videospiele eher akzeptieren als andere medizinische Interventionen“, ergänzt Co-Autor der Studie und Psychiater Jürgen Gallinat von der Psychiatrischen Universitätsklinik der Charité im St. Hedwig-Krankenhaus. Deshalb möchten die Forscher in weiteren Studien die Wirkung von Videospielen bei Menschen mit psychischen Störungen genauer untersuchen. Derzeit wird dies in einer Studie zur Posttraumatischen Belastungsstörung praktisch umgesetzt.

    Immer mehr Kinder und Jugendliche spielen zumindest gelegentlich am Computer. In den USA sind es bereits 99 Prozent aller Burschen und 94 Prozent aller Mädchen. Eine neue Studie zeigt, wie Spiele das Verhalten beeinflussen können. Nach dem längeren Konsum von gewalttätigen Computerspielen steigt demnach die Wahrscheinlichkeit für aggressives Verhalten. Gleichzeitig fördern Spiele mit prosozialen Inhalten die Hilfsbereitschaft der Spieler. Diese Ergebnisse präsentierte Tobias Greitemeyer vom Institut für Psychologie der Universität Innsbruck Mittwochabend bei einer Veranstaltung des Wissenschaftsfonds FWF.

    „Der Zusammenhang zwischen aggressivem Verhalten und gewalttätigen Computerspielen ist nicht außergewöhnlich hoch, aber er ist signifikant", so Greitemeyer. Aggressives Verhalten, Gefühle und Gedanken würden steigen, Mitgefühl und prosoziales Verhalten abnehmen. Das hänge nicht daran, dass nur ohnehin gewaltbereite Menschen zu aggressiven Computerspielen greifen würden, erklärte der Professor für Sozialpsychologie. Die Tendenz zu aggressiverem Verhalten nach Spielen wie Ego-Shootern ziehe sich durch die gesamte Bevölkerung. Je stärker die Identifikation mit dem Charakter in den Spielen, desto aggressiver das Verhalten danach. Das testeten Greitemeyer und sein Team anhand von personalisierbaren Charakteren, Shootern und dem Willen, anderen Menschen danach Schaden zuzufügen.

    Dehumanisierung

    Ein weiterer Grund für die gesteigerte Aggression liege in der Übertragung des Spiels auf den Alltag. Je eher ein Kontrahent als „unmenschlich" wahrgenommen werde, desto geringer sei die Hemmung, Gewalt anzuwenden. Nutzer von gewalttätigen Spielen würden auch im Alltag eher zu einer Dehumanisierung ihres Gegenübers und damit zu Alltagsaggression neigen, die sie in Relation zu den Geschehnissen des Spiels als harmlos einstufen. Eigenes aggressives Verhalten werde demnach nicht so wahrgenommen, meinte Greitemeyer.

    Dieser Einfluss auf unser Verhalten funktioniere aber ebenso umgekehrt. An der Uni Innsbruck wurden auch Spiele getestet, die Rettung oder Hilfe zum Ziel haben, sogenannte prosoziale Spiele. Wie bei den gewalttätigen Spielen spielte eine Vergleichsgruppe nach Zufallsprinzip ein neutrales Spiel wie etwa Tetris. Danach wurden beide Gruppen mit einer gestellten Notsituation konfrontiert. Von den Teilnehmern am neutralen Spiel half nur jeder fünfte, während mehr als die Hälfte der Spieler eines prosozialen Computerspiels einschritt. Außerdem erkannten Spieler von prosozialen Spielen Worte wie Hilfe schneller und spendeten mehr ihres Verdienstes als Spieler von gewalttätigen Spielen.

    Zwar fördere das Spielen von Ego-Shootern die Aggressivität, jedoch könne das gemeinsame Spielen diesen Aspekt in den Hintergrund drängen und den kooperativen Gedanken fördern. Spieler, die gewalttätige Games zusammen benützten, spendeten im Vergleich sogar mehr als jene, die alleine neutral spielten. „Man kann die Effekte von gewalttätigen Computerspielen auffangen, wenn man sie gemeinsam spielt", erklärte Greitemeyer. Problematisch bleibe jedoch, dass rund drei Viertel aller Computerspiele gewalttätige Sequenzen oder Handlungen beinhalten und diese meist die bessere Optik und anspruchsvollere Gestaltung vorweisen könnten. „Je länger und regelmäßiger Computerspiele konsumiert werden, desto stabiler sind auch die Effekte, die sie hervorrufen", so der Sozialpsychologe.

    Wenn mitten im Weltall Aliens auftauchen, heißt es für "Space Rangers": Schnell sein und genau zielen. Fabian, 9, und Moritz, 6, feuern begeistert drauf los. Doch die getroffenen Aliens am Computerbildschirm scheinen sich darüber zu freuen. Bei genauerem Hinschauen zeigt sich: Die vermeintlichen Geschoße sind Früchte und Getränke. Die Spieler müssen die Aliens mit Nahrung versorgen. Bei genug Fürsorge darf der "Space Ranger" in den nächsten Level wechseln. Doch dort gibt es wieder neue Regeln, die sich die Spieler merken müssen. Denn wenn ein radioaktiver Sturm durchs All tobt, gilt ein anderer Verhaltenskodex.

    Für Fabian und Moritz zählen Spaß und Abwechslung. Sich auf die neuen Begebenheiten einzustellen weckt ihren Ehrgeiz. Während die Buben die lustigen Figuren mit den großen Augen immer schneller füttern, sind die Aliens für den Psychologen Manuel Sprung von der Universität Wien ein ideales, niederschwelliges therapeutisches Werkzeug.

    Wie gefährlich sind Computerspiele?

    Manuel Sprung, Abteilung für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie
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    Manuel Sprung, Abteilung für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie
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    Manuel Sprung, Abteilung für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie
    Wie gefährlich sind Computerspiele?

    Manuel Sprung, Abteilung für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie
    Wie gefährlich sind Computerspiele?

    Stichwort: psychische Gesundheit, Computerspiele, Therapie, ADHSQuelle: Institut für Psychologie/Manuel Sprunghonorarfrei
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    Manuel Sprung, Abteilung für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie
    Wie gefährlich sind Computerspiele?

    Stichwort: psychische Gesundheit, Computerspiele, Therapie, ADHSQuelle: Institut für Psychologie/Manuel Sprunghonorarfrei
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    Stichwort: psychische Gesundheit, Computerspiele, Therapie, ADHSQuelle: Institut für Psychologie/Manuel Sprunghonorarfrei

    "Wir wissen, dass 90 Prozent der Kinder Computerspiele spielen. Wir wollten die Kinder mitten in ihrem Leben abholen, mit einem lustorientierten Zugang." Angebote zur Förderung der psychischen Gesundheit seien heute notwendiger denn je. Gerade in der Kinder- und Jugendpsychologie fehlen sie aber besonders. "Wir versuchen deshalb, anerkannte psychologische Therapieformen, etwa kognitive Verhaltenstherapie, in Computerspiele zu übersetzen."

    Im "Games4Resilience"-Labor des Psychologie-Instituts entwickelt Sprung mit Alexander Hofmann (FH-Technikum Wien) Helmut Hlavacs (Institut für Informatik, Uni Wien) Spiele wie "Alien Ranger". Damit testet und trainiert er dann die sogenannten exekutiven Fähigkeiten von Kindern. Dabei geht es um entwicklungspsychologische Aspekte: "Bei Lernschwierigkeiten oder Aufmerksamkeitsdefiziten können die Kinder Impulse nicht richtig verarbeiten und ihnen nicht folgen. Oder sie lassen sich leicht ablenken."Ebenfalls häufige Probleme: Inhalte im Kurzzeitgedächtnis zu behalten.

    Ängste, Depression oder Niedergeschlagenheit behandelt Sprung hingegen sogar mit Facebook. Als Therapie-Spiel heißt das soziale Netzwerk "Mindbook" und ist ein Selbstsicherheitstraining. "Bei diesen Plattformen geht es immer um Selbstdarstellung. Wir wollen die negative Grundüberzeugung dieser Kinder durchbrechen. Wir zeigen, was passiert, wenn sie sich positiv oder negativ darstellen." Es ist nämlich kein Zufall, dass die fiktiven Mindbook-Charaktere "Hannes Unsicher" oder "Anni Müde" heißen. Wenig überraschend: Diese Melancholiker sind selten mit Typen wie "Chrissie Fröhlich", "Bobby Happy" oder „Jenny Stark" befreundet.

    Trotz aller therapeutisch-psychologischen Kunstgriffe bleibt für die Kinder der spielerische Charakter immer aufrecht – und wirkt sogar nach Ende der achtwöchigen Therapie. "Es müssen ständig neue Kompetenzen entwickelt werden, das hinterlässt Spuren im Gehirn", erklärt Psychologe Sprung.

    Die therapeutische Wirkung hat er in einer Studie nachgewiesen. Er teilte 89 Sechs- bis Zehnjährige in zwei Gruppen. Eine spielte sechs Wochen lang "Alien Ranger", die andere erhielt eine spezielle App, um am Tablet-Computer zu zeichnen. Schon während der Therapie verbesserte sich bei den "Alien-Rangern" die Aufmerksamkeit messbar – sogar bei einem weiteren Test nach zwei Wochen Spielpause.

    Seit dem 1. August, dem 89. Gründungstag der Volksbefreiungsarmee, steht das Computerspiel zum Download bereit. Das Angebot richtet sich in erster Linie an Jugendliche, berichtet der Spiegel. Zulieferer geben an, dass der Zweck des Spiels die Erziehung von jungen Chinesen zur nationalen Verteidigung sei. „Glorreiche Mission Online" ist ein Gemeinschaftsprodukt des Militärkommandos Nanking und dem chinesischen Computerspielhersteller Giant Interactive Group.

    Das Szenario des Spiels ist es, japanische Invasoren auf dem chinesischen Festland zurückzuschlagen. Besonders brisant ist, dass der Kampf um die Diayu/Senkaku-Inseln im Mittelpunkt steht. Die unbewohnte Inselgruppe befindet sich im Besitz Japans, wird jedoch von China beansprucht. Der seit etwa einem Jahr andauernde Streit hat sich in den letzten Wochen wieder verschärft. Ein aktueller Bezug zum alten Gegner Japan ist demnach Teil des Spiels.

    Spiele aus dem Genre der Red Games haben in den vergangenen Jahren in China an Popularität gewonnen. Dieses Genre umfasst Spiele, bei denen Patriotismus eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Weitere Beispiele dafür sind die Spiele „Leuchtendes Schwert" und „Roter Feldzug".

    „Verteidige die Diaoyu-Inseln" ist ein Spiel mit demselben Szenario wie „Glorreiche Mission Online". Allerdings wurde es nicht von der chinesischen Volksbefreiungsarmee, sondern von der US-Firma Shenzen ZQGame Network für iOS entwickelt und in den chinesischen App-Store gestellt. Nach einem Verbot durch die chinesische Zensur im Juli dieses Jahres verschwand das Spiel ohne Angabe von Gründen.

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