Wie es ist, wenn der Hund stirbt

Wie es ist, wenn der Hund stirbt
KURIER-Autorin Gabriele Kuhn erinnert sich an Mimi. Und beschreibt, wann der Zeitpunkt für ein neues Tier gekommen ist.

Der kleine Hügel unter den Bäumen. Der Teppich im Wohnzimmer. Ein Bachlauf im Wienerwald.

Es sind diese drei Orte, die ich für immer mit unserer Hündin Mimi verbinden werde. Auf dem Hügel haben wir unzählige Male mit Bockerln gespielt, oder sie lag neben mir, während ich den Sonnenuntergang beobachtete. Nach wie vor taucht sie in meinen inneren Bildern auf, wenn ich dort spaziere. Ich möchte „Mimi“ rufen, aber niemand kommt. Der Teppich hingegen war ihr „Beuteplatz“. Jedes Leckerli trug sie dorthin, um es zu vernaschen. Im Mai dieses Jahres war es der Platz, an dem sie lag, während wir sie auf ihrer letzten Reise begleiteten. Schließlich der Bachlauf. Der war ein magischer Anziehungspunkt für sie, sie liebte Wasser. Zwei Wochen nach ihrem Tod haben wir dort ihre Asche verstreut und uns verabschiedet.

Wie es ist, einen Hund zu verlieren, fragte mich eine Nicht-Hundebesitzerin. Man trauert sehr, antwortete ich. Man weint. Mehr als ich je vermutet hätte. Wenn der Hund, der Jahre an deiner Seite war, nicht mehr da ist, dann tut sich ein „Loch“ im System auf. Es fehlt so viel.

Nachsicht und Liebe

Die Begeisterung, mit der Mimi uns begrüßt hat. Ihr Blick. Ihr Geruch. Ihr Seufzen und Atmen, nachts. Ihre Komik. Ihre Hingabe. Ihre Nachsicht. Und ihre bedingungslose Liebe. Außerdem endet mit dem Adieu des Hundes ein eigenes Stück Geschichte.

Manchen scheint es unangemessen, den Tod eines Hundes mit dem eines Menschen zu vergleichen. „Es ist ja nur ein Tier“, heißt es oft. Der Tod lässt sich nicht in die Waagschale legen, er hält keinem Vergleich stand. Trauer ist kein Gefühl, das sich portionieren oder rationieren lässt. „Auch nach dem Tod eines Tieres durchläuft man die Stadien des Trauerns“, schreibt die Wolfs- und Naturforscherin Elli H. Radinger in ihrem Buch „Der Verlust eines Hundes – und wie wir ihn überwinden.“ Vom Leugnen über das Verhandeln und die Wut bis zur Zustimmung. Doch zunächst ist es wichtig, sich der Trauer zu stellen. „Wenn sich das Leben ändert, müssen wir bereit sein, uns für eine Weile nicht mehr wie wir selbst zu fühlen“, schreibt Radinger dazu.

Was in diesen Tagen hilft? Manchmal gar nichts, aber ein zentraler Bestandteil dieses Prozesses sind Rituale – des Erinnerns etwa. Indem man darüber spricht, was war, und was nun fehlt. Wie oft sind wir zusammengesessen und sagten: „Weißt du noch?“ Weißt du noch, wie sie als Baby die teuren Schuhe zerbissen hat? Oder im Alter von sechs Monaten plötzlich auf dem Esstisch stand und Schinken vom Teller verputzte? In diesen Momenten wurde gelacht und geweint, wir spürten ein letztes intensives Mal, wie sehr wir durch die Liebe von und zu Mimi verändert wurden.

Irgendwann wacht man auf, und der Verlust tut nicht mehr ganz so weh. Darauf zu vertrauen, ist wichtig. Die Akzeptanz, die Annahme des Geschehenen kommt leise daher, in Häppchen quasi. Trauer kostet viel Kraft, irgendwann erschöpft sie sich und der Wunsch nach Normalität wird immer größer.

Dankbarkeit

Es bedeutet nicht, dass das verstorbene Tier keinen Platz mehr im Herzen hat. Mimi ist da, doch der Verlust steht nicht mehr so im Fokus. Stattdessen dominiert das Gefühl, dass sie bei uns ein wunderbares Zuhause gefunden und sich der Kreis nun geschlossen hat. Man ist dankbar dafür, dass sie da war.

Irgendwann stellt sich die Frage nach einem Nachfolger. Ja, es gibt Menschen, die sich kurz nach dem Tod ihres Hundes mit einem neuen trösten. Es wäre auch hier vermessen zu sagen, man dürfe das nicht. Für uns gab es nach dem Tod Mimis aber eine Zeit, in der wir die Freiheit genossen haben. Die Monate bis zu ihrem Tod waren sehr anstrengend und fordernd. Die Lust an der neu gewonnenen Spontanität war der Beweis dafür, dass das Leben weitergeht. Eines Tages war klar: Die Zeit ist reif für einen neuen Hund. Es ist jener Moment, an dem die Schwermut und die Trauer endgültig weichen. Die große Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross beschreibt diesen Augenblick wie beim Tauziehen: Man lässt einfach los, oder besser: Man lässt locker, in der Gewissheit, dass nichts verloren geht.

Etwa fünf Monate nach dem Tod von Mimi waren wir bereit und begaben uns auf die Suche. Es sollte, wie Mimi, ein Hund sein, den wir aus ungünstigen Lebensumständen retten können. Und so trat Gustav in unser Leben – wir haben ihn gesucht, er hat uns gefunden. Seit etwas mehr als einer Woche zerbeißt er Patschen, schleppt sein Futterschüsserl im Maul durchs Wohnzimmer und knurrt sein Spiegelbild an.

Ein neuer Anfang. Schön.

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