Wenn Steine vom Himmel fallen

Wenn Steine vom Himmel fallen
Am "Asteroid Day" soll heute erstmals weltweit über Asteroiden und deren Risken informiert werden.

Wir schreiben den 30. Juni, ein strahlend schöner Sommertag – auch in der sibirischen Taiga. Es ist 7 Uhr 14 und der Bauer Sergej Semjenow sitzt auf der Veranda seines Hauses in der Siedlung Wanawara: "Plötzlich riss der Himmel auf und hoch über dem Wald schien alles in Feuer gehüllt zu sein. Ich spürte eine große Hitze, als ob mein Hemd Feuer gefangen hätte", berichtet er später. Weltweit schlagen seismische Instrumente an, Wolken übervoll mit Explosionsstaub reflektieren das Sonnenlicht, sodass man in England mitten in der Nacht Zeitung lesen kann.

107 Jahre später haben Astrophysiker den 30. Juni zum ersten "AsteroidDay" erkoren. Zweck: Museen, Planetarien und wissenschaftliche Einrichtungen überall auf der Welt wollen über Gefahren und die wissenschaftliche Bedeutung von Asteroiden-Einschlägen aufklären. Schließlich hatte die berühmte Tunguska-Explosion die Energie von mehreren Hundert Hiroshima-Atombomben.

"Es gibt eine Million Asteroiden in unserem Sonnensystem, die das Potenzial haben, auf der Erde einzuschlagen und eine Stadt zu zerstören. Aber bisher sind weniger als 10.000 davon entdeckt, also nur ein Prozent davon", heißt es in einer zum Asteroiden-Tag lancierten Deklaration, die man im Internet unterstützen kann.

Wie groß die Gefahr für die Erde tatsächlich ist, ist kaum in Zahlen zu fassen. Das Problem sei, "dass wir immer noch nicht ganz genau wissen, wie viel tatsächlich da draußen herumschwirrt", sagt der Wiener Astrophysiker Rudolf Albrecht, lange bei der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA) und heute in UN-Arbeitsgruppen für mögliche Asteroiden-Abwehr-Maßnahmen. Manche Experten gehen von 600.000 Asteroiden in unserem Sonnensystem aus. Gut 12.000 davon gelten als erdnahe Objekte, Neos (Near Earth Objects) genannt. Auf der Risiko-Liste stehen derzeit 494. Der Pariser ESA-Experte Ian Carnelli hält 30 bis 40 Asteroiden für "gefährlich" für die Erde. Albrecht dagegen schätzt knapp 1600 als potenziell gefährlich ein.

Ungewiss

Das illustriert das Problem: Keiner weiß es genau. Daher laufen derzeit Programme, um solche Objekte aufzuspüren, sie zu klassifizieren und ihre Bahn zu berechnen. "In den nächsten fünf bis zehn Jahren werden wir eine sehr genaue Übersicht haben", sagt Albrecht.

Don Yeomans vom NASA-Programm für erdnahe Objekte NEOs ist überzeugt, dass "wir etwa 94 Prozent der größeren erdnahen Asteroiden entdeckt haben. Keiner bedeutet für die kommenden hundert Jahre eine ernst zu nehmende Gefahr."

Christian Köberl, Impakt-Forscher und Direktor des Naturhistorischen Museum rät auch, die Kirche im Dorf zu lassen: Die Gefahr sein nicht größer "als vor anderen geologischen Großereignissen wie Vulkanausbrüchen oder Erdbeben. Bei größeren Asteroiden sollte es genug Vorwarnzeit geben, da die meisten Bahnen bekannt sind." Außerdem: "Je größer ein Asteroid ist, desto seltener ist ein Einschlag." Ein-Kilometer-Objekte träfen die Erde maximal alle 500.000 Jahre. Unberechenbarer seien die kleineren – wie Tungunska oder Tscheljabinsk –, weil deren Bahnen kaum bekannt seien und sie daher "aus heiterem Himmel" kommen. "Passiert das über bewohntem Gebiet, können sie viele Tausende Todesopfer fordern."

Daher machen sich Astronomen über das Rest-Risiko Gedanken: Im Projekt Aida (Asteroid Impact and Deflection Mission) werden Ideen zur Asteroiden-Abwehr gesammelt. Erstes Ergebnis: 2020 soll eine Raumsonde auf Kollisionskurs mit einem Asteroid gebracht werden und ihn von der Erde wegschubsen.

Info: First Asteroid Day im NHM Wien: Ab 14:00 gibt es Spezialführungen, Filmvorführungen und Podiumsdiskussionen (www.nhm-wien.ac.at)

Wenn Steine vom Himmel fallen

Kommentare