Was von Konrad Lorenz blieb

Am 27. Februar jährt sich der Todestag von Konrad Lorenz zum 25. Mal.

Weil man aus der Distanz vieles klarer sieht, fragte der KURIER den Biologen und Wissenschaftsphilosophen Franz Wuketits, was von Österreichs letztem wissenschaftlichen Nobelpreisträger geblieben ist.

KURIER: Das deutsche Magazin "Der Spiegel " bezeichnete Konrad Lorenz einmal als den "Einstein der Tierseele". Lässt sich dieses Urteil im 21. Jahrhundert aufrechterhalten?

Wuketits: Das ist eine schöne Metapher, die auf Konrad Lorenz nach wie vor zutrifft. Er hat die "Tierseele" wie kaum ein anderer verstanden und tiefe Einsichten in das Verhalten verschiedener Tierarten gewonnen.

Derzeit treibt die Genetik vor allem die Naturwissenschaften rasant voran. Im Lichte dieser Entwicklung: Was sind Lorenz wichtigste – bleibende – Erkenntnisse?

Lebewesen sind sehr komplexe Phänomene, die sich nicht auf Moleküle und Gene reduzieren lassen. Mit Recht hat Lorenz immer wieder die Bedeutung der Beobachtung und Beschreibung in der Verhaltensforschung und in der Biologie insgesamt betont und auf die Rolle des ganzheitlichen Denkens hingewiesen. Zu seinen bleibenden Erkenntnissen zählt, dass Tiere mit ihren arteigenen Dispositionen zur Welt kommen, die in der Evolution durch natürliche Auslese entstanden sind.

Wo lag er völlig falsch?

Er glaubte noch, dass das Verhalten eines Individuums dem Wohl seiner Art dient. Heute steht der individuelle Reproduktionserfolg im Vordergrund, der nicht auf Arterhaltung ausgerichtet ist.

Wenn wir schon beim Falschliegen sind: Konrad Lorenz hat mitgeholfen, das rassenpolitische Programm der Nazis wissenschaftlich zu legitimieren. Sein Lieblingsthema: Genauso wie man bei Tieren durch Zuchtwahl darauf achtet, dass die Starken überleben,so soll auch beim Menschen der "Rassenpfleger" die Degeneration verhindern. Kann man das wirklich mit dem Zeitgeist schönreden?

Lorenz Rolle im rassenpolitischen Programm wurde vielfach überschätzt. Es ist schwer vorstellbar, dass die führenden Nazi-Köpfe für die Durchsetzung ihrer Ideologie einen Verhaltensforscher brauchten. Vom Überleben der Starken war in der Evolutionstheorie seit Darwin nie die Rede, das ist eine gründliche Fehlinterpretation der Formel "Survival of the Fittest" (Überleben der Tauglichsten). "Schönreden" will ich jedenfalls gar nichts, aber das Werk eines Wissenschaftlers, das verschiedene theoretische Implikationen enthält, kann nicht vom Hintergrund seiner Zeit losgelöst werden.

Was bleibt von einem Forscher, dessen wissenschaftliches Lebenswerk zu großen Teilen längst überholt ist?

Lorenz hat als erster der vergleichenden Verhaltensforschung einen klaren theoretischen und methodologischen Rahmen gezogen, ohne den auch die Etablierung der Soziobiologie schwer vorstellbar ist. In der Umweltbewegung war er ein Mahner und Wahrer der ersten Stunde. Schon Anfang 1962 betonte er: "Keine gescheiterte Ökonomie ohne gescheiterte Ökologie". An der Berechtigung dieses Imperativs kann heute kaum jemand zweifeln. Und: Lorenz’ Zivilisationskritik hat nach wie vor ihre Berechtigung.

War das 20. Jahrhundert ein besseres für österreichische Forscher als das 21., z. B. was den Nobelpreis betrifft?

Das 21. Jahrhundert ist ja noch sehr jung. Aber es stimmt, dass – vor allem aufgrund der zunehmenden Spezialisierung der Wissenschaften – kaum noch jemand für seine ganzheitliche Betrachtungsweise wie sie Lorenz vertrat mit dem Nobelpreis rechnen darf. Das ist sicher kein österreichisches Phänomen.

Instinkt, Prägung, Kindchenschema, Schlüsselreiz: Viele von Konrad Lorenz begründete wissenschaftliche Begriffe haben Eingang in unseren Wortschatz gefunden.
Lorenz, am 7. 11. 1903 in Altenberg/NÖ geboren, gilt als Begründer der Verhaltensforschung (Ethologie). Er erkannte, dass nicht nur der Körperbau, sondern auch die Verhaltensprogramme der Lebewesen unter dem Druck der Evolution entstanden und im genetischen Code verankert sind.
1973 erhielt Lorenz den Nobelpreis für Medizin und Physiologie.

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