Was Daten über uns verraten

Wissenschaftler sprechen von der größten Revolution seit Erfindung des Buchdrucks
Wie der Computer vorhersagen kann, ob wir kriminell oder krank werden

Das Überwachungsszenario, das der englische Autor George Orwell in seinem Buch „1984“ vor mehr als 60 Jahren heraufbeschworen hat, ist längst Realität. Fast jeder Schritt, den ein Mensch im Alltag tut, wird digital aufgezeichnet und in Datenbanken abgespeichert. Was Orwell nicht vorhersehen konnte, sind die mächtigen Computerprogramme, die Milliarden von Daten in Sekunden verwerten können.

Die meisten Informationen über uns und unser Leben geben wir allerdings freiwillig Preis. So teilen wir auf Facebook oder Twitter mit, mit wem wir gerade Geburtstag gefeiert haben oder wo wir uns im Urlaub befinden.

Suche nach Kaffee

Was Daten über uns verraten
Dabei kann selbst ein einzelnes öffentliches Posting erstaunliches Informationspotenzial beinhalten. Aus einem Tweet wie „Bin mit der AUA von London in Wien gelandet, hoffe, es gibt einen Starbucks“ kann ein intelligentes Computerprogramm unter Berücksichtigung von Zeit und Ort rückschließen, auf welchem Terminal der Fluggast gelandet ist und dass er nun einen Kaffee möchte.

„Wenn man die Informationen in Echtzeit richtig analysiert, kann man dem Fluggast Vorschläge für ein Café am Flughafen machen, ihm am Handy anzeigen, wie er auf dem schnellsten Weg dorthin kommt und noch einen Coupon für eine Ermäßigung beilegen“, sagt IBM-Zukunftsforscher Moshe Rappoport im Gespräch mit der futurezone. Als Herausforderung für Systeme gilt, aus Millionen Beiträgen die relevanten herauszufiltern und richtig zu interpretieren.

Licht und Schatten

Dass der US-Geheimdienst, aber auch andere Behörden die technischen Möglichkeiten ausreizen, um unser gesamtes Internet-, eMail- und Telefonieverhalten aufzuzeichnen, ist die dunkle Seite der Medaille. Wissenschaftler und Firmen bewerten die Computer-Auswertung riesiger Datenbanken dennoch positiv und sprechen jetzt schon von der größten Informationsrevolution seit der Erfindung des Buchdrucks.

Medizin

Vor allem in der Medizin könnten die technischen Möglichkeiten Leben retten oder Krankheiten besiegen. An der Universität Toronto konnte eine Forscherin anhand der ständigen Aufzeichnung und Auswertung von 1200 Vital-Signalen von Frühgeborenen 24 Stunden früher als bisher Symptome für eine Infektion erkennen, die eine große Gefahr für die Babys ist. In Afrika wiederum wollen Forscher durch die Auswertung von Satellitenbildern, Wetterinformationen und den GPS-Handydaten der Bevölkerung Impfpläne zur Bekämpfung von Malaria optimieren.

Kriminalität

Was Daten über uns verraten
Dass die Polizei einen Täter schon festnehmen kann, bevor die Tatbegangenwurde, ist zwar noch Zukunftsmusik. In den USA entscheiden computerbasierte Verhaltensvorhersagen aber schon mit, ob eine Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll, wie Internetexperte Viktor Mayer-Schönberger in seinem neuen Buch „Big Data“ ausführt.

Andere Programme helfen vorherzusagen, wo und wann die meisten kriminellen Übergriffe zu erwarten sind – etwa, wenn die Nacht lau und trocken ist und gerade Löhne ausbezahlt wurden. Die Polizei kann durch verstärkte Präsenz an Ort und Stelle gegensteuern. An Flughäfen versuchen die USA in Experimenten gar, Terroristen ausfindig zu machen, indem Herzschlag, Atemfrequenz und Körpersprache analysiert werden – ethisch nicht unbedenklich.

Anonyme Daten

Viele analysierte Daten sind aber ohnehin nicht mit Personen verknüpft, sondern helfen, Flugzeuge und Autos sicher zu warten, indem der Verschleiß von Bauteilen berechnet wird.

Politiker etwa erhalten durch die Computer-Analyse von Verkehrsdaten eine objektive Grundlage, ob eine U-Bahn oder eine Straßenbahn die beste Verkehrslösung ist und das gefühlte Chaos bei einer neuen Fußgängerzone auch in Zahlen messbar ist.

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