Warum ein Start-up Mitarbeitern einen Therapeuten bezahlt

Symbolbild
In puncto Mitarbeitergesundheit geht der deutsche Kondomhersteller Einhorn seinen eigenen Weg.

Ein Start-up, das Mitarbeitern Zeit auf der Therapeutencouch zahlt: Mit dieser Aktion zeigt der deutsche Kondomhersteller Einhorn derzeit Mut zur Mentalhygiene. Warum, beschreibt Gründer und Geschäftsführer Waldemar Zeiler in einem Blogeintrag auf der Karrierenetzwerk Xing.

"Warum wir Mitarbeitern einen Therapeuten bezahlen"

"Manchmal braucht man einfach Hilfe", schreibt Zeiler, der Ende des vergangenen Jahres selbst in eine Krise schlitterte, dort. Drei Jahre nach der Gründung von der veganen und nachhaltigen Kondommarke Einhorn und einer eigenen Familie "war ich plötzlich beides: Unternehmer und Vater". Seine Pflichten als Vater wahrzunehmen und "nicht klassischerweise alles auf meine Partnerin abzuwälzen", wie auch sein Unternehmen am Laufen zu halten, wurde zur Herausforderung. "Irgendwann wurden Bedenken und Unsicherheiten, Ängste und sehr reale Probleme, wie zum Beispiel enormer Schlafmangel, so groß, dass ich sie nicht mehr einfach in die Ecke schieben konnte, um sie zu vergessen. Ich musste dem Unbehagen entgegentreten."

Zeiler begab sich in Therapie, stellte sich seinen Ängsten – und kam dabei auf eine Idee: kostenlose Therapiestunden für Mitarbeiter. Nach einer Umfrage in der Einhorn-Community via Social Media, bei der über 1000 User mit 97 Prozent für Therapiemöglichkeiten seitens des Arbeitsgebers stimmten, unterbreiteten Zeiler und sein Geschäftspartner ihren Arbeitnehmern das Angebot. Jeder Mitarbeiter erhielt die Möglichkeit zwei bis drei therapeutische Leistungen in Anspruch nehmen. Die Kosten dafür wurden übernommen, wie oft und warum sich jemand an den Therapeuten wandte, nicht an die Chefs weitergetragen.

"Natürlich habe ich meinem Team im gleichen Zug erzählt, dass ich mich selbst derzeit in Therapie befinde. Ich glaube, dass wir Führungskräfte Vorbild für unsere Mitarbeiter sein sollten und zeigen müssen, dass man sich nicht zu schämen braucht, wenn man eine schwache Phase hat, aus der man mit externer Hilfe besser herauskommt", schildert Zeiler in seinem Artikel.

Scham und Schweigen

Dass Psychoschmerz im Job nach wie vor tabu ist, ist hinreichend belegt. Kürzlich ergab eine Studie einer britischen Arbeitsvermittlungsagentur, dass der überwiegende Großteil der Arbeitnehmer nicht mit ihren Arbeitgebern über psychische Probleme spricht. Im Gegensatz zu physischen Leiden, die viel öfter besprochen werden. Eine repräsentative Umfrage von marktagent.com zeigte 2016, dass 80 Prozent der Befragten überzeugt sind, dass die psychische Verfassung ihre Arbeitsleistung stark beeinflusst. Für die meisten der betroffenen Arbeitnehmer allerdings kein Grund, daheim zu bleiben. Nur ein Bruchteil geht in den Krankenstand, selbst wenn das Bedürfnis danach groß ist.

Nicht selten macht der Arbeitsplatz selbst den Menschen krank. Über eine Million Menschen haben hierzulande laut Arbeiterkammer arbeitsbedingte Gesundheitsprobleme. Psychische Erkrankungen sind dabei auf dem Vormarsch und machen bereits ein Drittel jener Diagnosen aus, die zu einer Berufsunfähigkeits- oder Invaliditätspension führen. Durch Arbeitsausfälle von psychisch Kranken gehen der Weltwirtschaft laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jedes Jahr 860 Milliarden Euro verloren. Aufgrund dieser Tendenzen wurde in Österreich auch 2013 das Arbeitnehmerschutzgesetz novelliert und die Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz vorgeschrieben.

Tabu brechen

Bisher hätten bei Einhorn rund fünf der insgesamt 20 Mitarbeiter die psychologische Beratung in Anspruch genommen. Das Feedback sei positiv, weswegen die beiden Gründer künftig finanzielle Mittel für zehn Sitzungen pro Monat für das gesamte Team zur Verfügung stellen werden. "Zum Wohl der Mitarbeiter und damit auch zum Wohl des Unternehmens müssen wir das Thema endlich enttabuisieren", ist Zeiler überzeugt.

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