Heimische Vorratsdaten für Diebstahlsdelikte

Heimische Vorratsdaten für Diebstahlsdelikte
Die Kläger rechnen damit, dass die Richtlinie das Verfahren "nicht unbeschadet" überstehen wird.

Das Verfahren in Luxemburg ist im Großen Gerichtssaal des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) über die Bühne gegangen. Geklärt werden sollte dabei, ob die Vorratsdatenspeicherung mit der Charta der EU-Grundrechtscharta vereinbar ist. Österreich legt dabei auch neue Zugriffs-Zahlen für den Zeitraum von einem Jahr vor. Die Kläger rechnen nach dem Gerichtstag damit, dass die Richtlinie das Verfahren "nicht unbeschadet" überstehen wird.

In Österreich gibt es für den Zeitraum vom 1. April 2012 bis zum 31. März 2013 (also ein Jahr Vorratsdatenspeicherung in Österreich) nun konkrete Zahlen zu staatsanwaltschaftlichen Auskünften von Vorratsdaten. Insgesamt gab es 326 Anfragen und in 312 Fällen auch die Auskünfte dazu. Bei 161 erledigten Rechtssachen soll in 71 Fällen die Vorratsdatenspeicherung einen Beitrag zur Aufklärung geleistet haben. Die meisten Abfragen der Vorratsdaten hat es außerdem nicht bei den schwersten Verbrechen, wie Terrorismus oder Mord, sondern bei Diebstahl (106) oder Stalking gegeben.

Bei den durch mithilfe von Vorratsdaten aufgeklärten Fällen waren 16 Fälle dem Diebstahl zuzuordnen, 12 den Suchtmittel, 12 dem Stalking, 7 dem Betrug und 7 dem Raub. Der Rest sind sonstige Delikte. Diese Zahlen sind neu, denn sie wurden am Dienstag zeitgleich mit dem Verfahrensstart in einer parlamentarischen Anfrage (PDF) vom Nationalratsabgeordneten Albert Steinhauser (Grüne) an die Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) öffentlich gemacht.

Vorratsdaten für Diebstahl oder Terrorismus?

Ob es auch einen Fall gab, der dem Terrorismus oder der organisierten Kriminalität zuzuordnen war, konnte der Anwalt, der in Luxemburg die österreichische Regierung vertritt, dem EuGH nicht beantworten bzw. musste er verneinen. Laut dieser Statistik scheint dies nicht so zu sein.

Der EuGH fragte explizit nach, ob denn Diebstahl und Stalking unter "schwere Kriminalität" fallen würden. Der österreichische Anwalt antwortete daraufhin: "Bei uns können wir diese Daten auch für die Bekämpfung normaler Kriminalität verwenden." Gemeint ist damit, dass alle Straftaten mit einem Strafmaß von mindestens einem Jahr in einem Ermittlungsverfahren zur Beauskunftung von Vorratsdaten führen können.

"Vorratsdatenspeicherung hat kaum einen Nutzen"

Die Vorratsdatenspeicherung wurde mit dem Argument eingeführt, es brauche Instrumente gegen Terrorismus und schwerste Straftaten. Tatsächlich kommt sie, wie die Zahlen zeigen, vor allem bei Diebstählen zur Anwendung. Wenn jetzt von tausenden Diebstählen gerade 16 zusätzlich aufgeklärt worden sind, so zeigt sich, dass die Vorratsdatenspeicherung kaum bis gar keinen zusätzlichen Nutzen hat", sagt Steinhauser, der gemeinsam mit dem AK Vorrat die Verfassungsklage, die vor dem EuGH behandelt wird, initiiert hat.

Österreich habe sich bisher noch nie zur Verhältnismäßigkeit der Vorratsdatenspeicherung geäußert, wirft der Anwalt Edward Scheucher, der die 11.139 Verfassungskläger aus Österreich vertritt, der Regierung vor. Der österreichische Regierungsanwalt dazu im Verfahren: "Zur Verhältnismäßigkeit, es ist nicht das Problem des fehlenden Mutes Österreichs sich hierzu zu äußern, sondern dass es innerhalb der Regierung keine klare Meinung zu diesem Thema gibt." Die Frage, die sich hier jetzt stellt und die sich auch der EuGH nach der Anhörung sicherlich stellen wird, ist: Sind Vorratsdaten für Diebstahlsdelikte wirklich verhältnismäßig?

Die Kärntner Landesregierung, die neben den 11.139 Klägern der Verfassungsklage und einer Privatperson die dritte Klagspartei aus Österreich darstellt, ist dem Verfahren ferngeblieben. Insgesamt waren im Verhandlungssaal am EuGH etwa 150 bis 200 Personen anwesend.

Spanien: "Missbrauch kann nie ausgeschlossen werden"

"Nur eine massive Vorratsdatenspeicherung aller Menschen kann der effektiven Verbrechensbekämpfung dienen. Ein Missbrauch kann apriori nie ausgeschlossen werden, das ist Sache der Umsetzung", argumentierte die spanische Regierung, die den EuGH ebenso wie Irland bittet, die Anträge der Kläger zurückzuweisen. In Spanien seien 128 anhängige Verfahren auf die Verwendung von Vorratsdaten angewiesen, so die spanische Regierung, die auch weitere Argumente der Vorratsdatenspeicherungsgegner zu entkräften versucht. Diese verweisen unter anderem darauf, dass die Vorratsdatenspeicherung leicht zu umgehen sei und auch Terroristen wissen würden, wie das funktioniert.

"Notwendig und geeignet ist die Vorratsdatenspeicherung nicht, da viele anonyme Kommunikationswege davon nicht umfasst sind. Es gäbe auch gelindere Mittel, also grundrechtsschonendere Methoden als die Vorratdastenspeicherung, um Verbrechen aufzuklären", argumentiert etwa der Anwalt des österreichischen Einzelklägers, Michael Seitlinger, in seinem Plädoyer. Die spanische Regierung dazu: "Steuerhinterziehung führt auch nicht dazu, dass wir das Einheben von Steuern aufgeben."

Österreich: "Es gibt nur noch scheinbare Anonymität"

Der Anwalt der österreichischen Regierung dazu: "Der bloße Umstand der Umgehbarkeit allein stellt die Wirksamkeit der Vorratsdatenspeicherung noch nicht in Frage. In der Wirklichkeit ist es heute sowieso nur noch eine scheinbare Anonymität, siehe Videoüberwachung oder die Tatsache, dass auch anonyme Wertkarten-Telefone mit registrierten Teilnehmern kommunizieren."

Auch der Europäische Rat hat ein Argument parat, warum die Umgehungsmöglichkeiten mittels Anonymisierung kein Argument gegen die Vorratsdatenspeicherung sein können: "Selbst wenn die Anonymität der Straftäter gewahrt werden, sie also konsequent solche Tools verwenden, was sie oft nicht tun, ist die Vorratsdatenspeicherung trotzdem eine gute Maßnahme. Ich will einen Vergleich ziehen zu Schlössern. Jedes Schloss kann geknackt werden, trotzdem verwenden wir Schlösser. Wir treiben damit die Kosten der Täter in die Höhe, ihre Kommunikation wird mühsamer dadurch."

Die Datenspeicherung sei außerdem nicht nur eine Belastung der Bürger, sondern damit könne auch die Unschuld von Beschuldigten festgestellt werden, so der Vertreter des EU-Rats.

"Keine Notwendigkeit in einer demokratischen Gesellschaft"

Der EU-Datenschutzbeauftragte kritisiert in seinem Plädoyer vor allem, dass die Richtlinie dem Einzelnen keinen Schutz seiner persönlichen Daten gegenüber Strafverfolgungsbehörden ermöglichen würde. Außerdem sei die Nowendigkeit der Vorratsdatenspeicherung in einer demokratischen Gesellschaft nicht gegeben. "Abschließend sollten wir nicht vergessen, dass die Richtlinie heute auch viele Smartphones betrifft. Wenn unsere Smartphones das Wetter aktualisieren oder E-Mails abrufen, wird jedes mal ein Vorratsdatum erzeugt, das in Sachen Persönlichkeitsprofilen ausgewertet werden kann, obwohl gar kein bewusster Kommunikationsvorgang stattgefunden hat", erklärt Peter Hustinx.

"Kann nicht statistisch beantwortet werden"

Irland ist ebenso wie Großbritannien der Meinung, dass die Richtlinie nicht gegen Grundrechte verstößt und die Vorratsdatenspeicherung notwendig und verhältnismäßig sei. Den Vorwurf, dass es bisher keine Statistik gibt, die beweist, dass die Vorratsdatenspeicherung ein geeignetes Mittel zur Verbrechensbekämpfung sei, weist Irland folgendermaßen zurück: "Die Frage kann nicht nur statistisch beantwortet werden. Wenn wir diese Mittel nicht hätten, würde es zu schweren Problemen führen."

Auch die EU-Kommission legt bei der Verhandlung in Luxemburg keine Statistiken vor, mit der sich belegen lässt, dass die Vorratsdatenspeicherung ein wirksames Mittel zur Verbrechensbekämpfung von schweren Straftaten und Terrorismus ist. Es gäbe zwar im Bericht von 2011 einige Statistiken, in denen wurde die Wirksamkeit jedoch nicht untersucht. Außerdem seien die Statistiken der Mitgliedsstaaten lückenhaft gewesen, heißt es.

EuGH geht mit EU-Kommission hart ins Gericht

"Es gibt ausreichende Hinweise, dass die Vorratsdatenspeicherung eine nützliche Maßnahme zur Verbrechensbekämpfung ist. Auch wenn NGOs und der europäische Datenschutzbeauftragte dies nicht so sehen", so die EU-Kommission. Die EU-Kommission argumentierte außerdem, dass man die Richtlinie nach dem Rechtsstand von 2006 beurteilen müsse, als die EU-Grundrechtscharta noch nicht rechtsgültig war (das war sie erst 2009). „Dieses Argument wäre nur zulässig, wenn es etwa um Haftungsfragen gehen würde. Für die Überprüfung der Richtlinie ist selbstverständlich die Grundrechtscharta als Maßstab anzuwenden", erklärt der unabhängige EU-Abgeordnete Martin Ehrenhauser, der in dem Verfahren als Zuhörer vorort ist.

In einer abschließenden Fragerunde gingen die Richter mit der EU-Kommission hart ins Gericht. Es gibt hauptsächlich kritische Fragen. Man verstehe nicht, wie die Abwägung der Verhältnismäßigkeit der Richtlinie getroffen wurde, wenn in 67 Prozent der Fälle die Daten, die für die Verbrechensaufklärung herangezogen werden, nicht älter als drei Monate seien, so der Richter. Das geht aus einem Report aus dem Jahr 2008 hervor. Die EU-Kommission gab zu, dass die Richtlinie "nicht perfekt" sei, aber dass das nicht bedeute, dass sie rechtswidrig sei.

Der Vertreter des EU-Parlaments verwies darauf, dass die Vorratsdatenspeicherung zur Harmonisierung des Binnenmarkts und um gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Anbieter zu schaffen, erlassen wurde und es daher nicht die Aufgabe sei, Grundrechte abzusichern. Vom EU-Parlament kommt jedoch auch ein "Nonsens"-Argument. So behauptet der Parlamentsvertreter, dass es alleine durch die Speicherung von den Standort- und Verkehrsdaten nicht möglich sei, Personenprofile zu erstellen.

Frage der Verhältnismäßigkeit entscheidend

Am Ende bleibt im Verfahren nun alles an der Frage der Verhältnismäßigkeit hängen. Denn selbst wenn die Vorratsdatenspeicherung tatsächlich geeignet und notwendig zur Verbrechensbekämpfung sein sollte, stellt sich die Frage, ob die pauschale anlasslose Überwachung, die in Österreich auch zur Aufklärung von Diebstahlsdelikten herangezogen wird, wirklich verhältnismäßig ist und was man dabei an Freiheit verlieren, das mit Sicherheit gerechtfertigt werden kann.

Einer der Richter sagt in der Schlussrunde: "Die Frage der Nützlichkeit ist nicht der Kernpunkt der Diskussion. Die nationalen Vorlagegerichte wollen, dass ein Gleichgewicht getroffen wird zwischen Verbrechensaufklärung und dem Grundrecht auf Datenschutz." Der Anwalt von der österreichischen Privatperson argumentiert am Ende, dass den EU-Institutionen nicht gelungen sei, zu beweisen, warum dieser schwerwiegende Grundrechtseingriff notwendig sei.

Gutachten kommt am 7. November - Optimismus bei Gegnern

Für die Vorratsdatenspeicherungsgegner geben die kritischen Fragen der Richter "Anlass für Optimismus". "Wir sind sehr froh über den Verlauf des Verfahrens. Man hat gemerkt, dass die Befürworter der Vorratsdatenspeicherung unter Druck gesetzt worden sind", erklärt Thomas Lohninger vom AK Vorrat der futurezone. "Wir rechnen nicht damit, dass die Richtlinie das Verfahren unbeschadet überstehen wird und dass die Grundrechte gestärkt werden", sagt Andreas Krisch, Obmann des AK Vorrat.

Das Verfahren soll noch in diesem Jahr entschieden werden. Konkret wird am 7. November das Gutachten des General-Anwalts veröffentlicht. Dieses dient als Empfehlung, wie der EuGH entscheiden soll.

Am 9. Juli 2013 wurde eines der wichtigsten Menschenrechtsthemen im höchsten Gericht der Europäischen Union verhandelt. Konkret geht es um die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung (VDS), eigentlich aber um die Frage, wo und wie die rote Linie zwischen den Grundrechten auf Privatsphäre und Datenschutz gegenüber Überwachungsmaßnahmen zum Zweck der Sicherheit verläuft. Die pauschale, verdachtsunabhängige Speicherung aller Kommunikationsdaten existiert seit 2006 als Richtlinie in der EU, durch welche alle 28 Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet sind, ihre Bevölkerung permanent zu überwachen. Im Übrigen ist der AKVorrat mit seiner Bürgerinitiative nach wie vor der Meinung, dass die VDS an sich abgeschafft werden muss. 105.067 Menschen in Österreich haben mit einer Petition ans Parlament für die Abschaffung der VDS letzten Herbst zum Ausdruck gebracht, wie sehr diese Überwachungsmaßnahme den Unmut der Bevölkerung geweckt hat. Obwohl die Bürgerinitiative vom Parlament nur in eine Schublade verfrachtet wurde, haben wir uns davon nicht entmutigen lassen und sind zum nächsten Schritt, unserer Verfassungsklage, übergegangen. Auf Verfassungsklage.at haben sich 11.139 Menschen unserem Verfahren mit einer unterschriebenen Vollmacht angeschlossen. Gemeinsam mit einem anderen Einzelkläger und der Kärntner Landesregierung konnten wir so unsere Bedenken beim Österreichische Verfassungsgerichtshof einbringen und das Gesetz unmittelbar anfechten. Die Anträge hatten in einem ersten Schritt Erfolg, der Verfassungsgerichtshof teilte unsere Bedenken und ersuchte - wie von uns erhofft und angeregt - den EuGH um eine Vorabentscheidung. In dieser Vorabentscheidung geht es um die Kernfrage unserer Kritik, ob nämlich eine verdachtsunabhängige, Pauschalüberwachung der gesamten Bevölkerung mit dem Grundrecht auf Datenschutz und Privatsphäre vereinbar ist. Der EuGH konnte also endlich die Wurzel des Problems, die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung selbst, prüfen. Das 15 köpfige Richtergremium stellte schon im Vorfeld der Verhandlung sehr kritische Fragen. Man wollte von den Verfahrensteilnehmern wissen, was die VDS seit ihrer Einführung als EU-Richtlinie 2006 effektiv zur Verbrechensaufklärung in der Union beigetragen hat, also wie Nützlich die Maßnahme überhaupt ist. Welche objektiven Kriterien zur Einführung der VDS geführt haben und wie man damals gerade auf eine Speicherdauer von 6 bis 24 Monaten gekommen ist. Den Wesenskern des Problems erfassend schien auch die Frage nach den Möglichkeiten, Persönlichkeitsprofile aus Vorratsdaten zu erstellen und welche Missbrauchspotentiale sich aus so einer Datenspeicherung ergeben, insbesondere im Hinblick auf das Outsourcing der Daten in Drittländer wie die USA. Alle diese Fragen sind nicht neu, Kritiker der Richtlinie fordern schon seit Jahren von der Politik klare Antworten auf diese Punkte. Nur war die Situation vor Gericht eine komplett andere, die Befürworter konnten sich zum ersten Mal nicht hinter fadenscheinigen Ausreden verstecken, sondern mussten Fakten auf den Tisch legen, und an den Stellen wo diese Fakten und Argumente Lücken aufwiesen, haben die Richter unerbittlich nachgebohrt. Besonders der vorsitzende Richter Thomas von Danwitz machte im Verfahren an vielen Stellen von seinem Rederecht gebrauch und nahm Vertreter von EU-Parlament und Kommission ins Kreuzverhör. Damit das Gericht über die Gültigkeit der VDS entscheiden kann, muss es eine Abwägung treffen zwischen dem Zugewinn an Sicherheit und dem Verlust an Freiheit durch so eine Überwachungsmaßnahme. Für jeden Grundrechtseingriff sind dabei drei Kriterien relevant, die Nützlichkeit, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme. Bei der Nützlichkeit wird gefragt ob die VDS dabei hilft schwere Straftaten aufzuklären, hier müsste man Statistiken vorweisen wie die Aufklärungsquote nach der Einführung der VDS bei schweren Straftaten gestiegen ist. Nach solchen Zahlen fragte das Gericht aber vergebens, einzig Österreich hat Statistiken vorgelegt. Aber auch hierzulande hat sich trotz mehr als einem Jahr VDS die Aufklärungsquote nicht verbessert und das obwohl Vorratsdaten bei uns sogar für die Aufklärung von Diebstahl, Suchtmittel und Stalking Delikten verwendet werden, also keines Wegs nur für schwere Kriminalität oder Terrorismus. Die Notwendigkeit so einer Maßnahme ist ebenfalls zu bestreiten, weil die VDS in vielen Ländern erst recht spät und in manchen bis heute nicht umgesetzt wurde. Keines dieser Lände versinkt im Chaos oder ist besonders häufiges Ziel von Terrorismus oder schweren Straftaten. Wenn Nützlichkeit und Notwendigkeit schon schwer zu beantworten sind, muss die Verhältnismäßigkeit umso stärker geprüft werden. Genau in diesem Punkt haben sich aber mehrere Parteien kritisch geäußert. Neben allen drei anwesenden Beschwerdeführern hat sich auch der Europäische Datenschutzbeauftragte der Meinung angeschlossen die VDS wäre nicht verhältnismäßig. Österreich ist in seiner schriftlichen Stellungnahme eine Antwort auf diese Frage schuldig geblieben und musste im Verfahren eingestehen, dass es hier keine einheitliche Meinung innerhalb der Bundesregierung gibt. Direkt gefragt ob er die VDS verhältnismäßig findet, verweigerte der Vertreter Österreichs sogar die Aussage und berief sich auf Weisungen die ihm eine Antwort verbieten würden.

Die Richter haben auch immer wieder einen Punkt her vor gehoben: nicht erst die Mitgliedsstaaten müssen sich in der Umsetzung von EU-Gesetzen darum kümmern, ob diese Grundrechtskonform sind, sondern die EU ist selbst dafür verantwortlich in ihren Gesetzen für einen ausreichenden Grundrechtsschutz zu sorgen. Im Falle der VDS wurde nämlich so argumentiert, dass die Abwägung zwischen den Grundrechten erst von den Mitgliedsstaaten in der Umsetzung der Richtlinie passieren soll. Das war natürlich lächerlich, da in Rumänien sogar das Höchstgericht entschieden hatte, dass die Richtlinie und jede mögliche Umsetzung nicht mit den Menschenrechten vereinbar ist, trotzdem wurde dieses Land nicht von der Verpflichtung die Richtlinie umzusetzen entbunden. Dem Verfahren leider fern geblieben ist die Kärntner Landesregierung. Unter der FPK hatte Kärnten auch eine Verfassungsklage gegen die VDS eingereicht und ist damit genauso wie der AKVorrat vor den EuGH gekommen. Scheinbar ist es dem Land Kärnten unter der neuen SPÖ Regierung nicht einmal mehr Wert in dieser Sache vor dem europäischen Höchstgericht zu erscheinen. Das ist besonders bedauernswert, weil die FPÖ für diese Kärntner Klage damals im Frühjahr 2011 die Möglichkeit, sich früher an den Österreichischen Vfgh zu wenden verhindert hat. Es gab damals weit fortgeschrittene Gespräche des AKVorrat mit allen drei Oppositionsparteien über eine so genannte Drittelbeschwerde, um noch vor dem in Kraft treten der VDS zum Vfgh gehen zu können. Diese Möglichkeit hat die FPÖ aber in letzter Minute fallen gelassen, weil das Land Kärnten so eine Klage lieber alleine einreichen wollte. Wir glauben nicht, dass die Vorratsdatenspeicherung aus diesem Verfahren unbeschadet hervor gehen kann. Dafür sind zu viele kritische Fragen der Richter unbeantwortet geblieben. Der größte Erfolg für den AKVorrat wäre es die Richtlinie selbst zu Fall zu bringen und einer verdachtsunabhängigen Pauschalüberwachung in ganz Europa eine klare und dauerhafte Abfuhr zu erteilen. Ganz im Sinne des letzten Satzes im Plädoyer von AKVorrat Anwalt Ewald Scheucher: "Bitte entscheiden Sie heute für die Freiheit in Europa, die Sicherheit hat nämlich schon genug Fürsprecher." Ceterum censeo data-retentionem esse delendam!

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