Heute hat Sutterlüty einen Käsekeller in der Wiener Innenstadt, wo er Vorarlberger Bergkäse in einem mittelalterlichen Haus hinter dem Stephansdom mehrere Meter unter der Erde reifen lässt. Schon immer hat ihn gestört, dass Käse viel zu früh gegessen wird. Er will sich und dem Käse mehr Zeit geben.
Käse in sieben verschiedenen Reifegraden bietet Anton Sutterlüty an, der jüngste vier bis sechs, der älteste 36 Monate. So etwas macht sonst niemand. „In den letzten Monaten entwickeln sich noch viele Geschmacksfeinheiten und die Salzkristalle kommen stärker hervor“.
Auch abgesehen von den geschmacklichen Finessen ist Antons „Ke:skeller“ in der Grünangerstraße ziemlich ungewöhnlich, immerhin ist er in den Kellergewölben der „Winebank“, einem Mitgliederklub für Weinliebhaber, eingemietet und stellt dessen Gästen eine Auswahl seines Käses zur Verfügung. Am Karmelitermarkt und am Kutschkermarkt verkauft Sutterlüty persönlich, außerdem ist sein Käse natürlich online sowie in ausgewählten Geschäften erhältlich – bis nach Schweden und sogar nach Frankreich, in das Paradies der Käseliebhaber. „Da bin ich schon ein bisserl stolz drauf.“
Das Käsemachen hat also einen gewissen Coolnessfaktor erreicht. Sutterlütys Töchter sehen das durchwachsen. „Die sind zwar irgendwie stolz, aber leider essen sie keinen Käse. Er stinkt ihnen zu viel. Ich habe beim Frühstück gerne sechs, sieben Sorten Käse auf dem Tisch. Meine Töchter sagen immer, ich soll ihn wegstellen.“ Anton Sutterlüty lacht leise bedauernd. Er wirkt nicht wie jemand, der sich besonders von der Meinung anderer beeindrucken lässt. Käsemachen erdet, sagt er. „Es ist eine Art von Arbeit, die anders ist als alles andere. Wenn man Käse macht, sieht man das Ergebnis unmittelbar. Die Zusammenhänge sind deutlich: Die Kühe fressen das Gras, man melkt sie und aus der Milch macht man Käse. Das ist simpel und sehr befriedigend.“
Schon als Kind hat Anton Sutterlüty alle Sommer auf der Alpe verbracht. Manchmal wäre er gerne lieber schwimmen gegangen, andererseits war er stolz, schon mit 15 Jahren die Käseherstellung zu beherrschen. Auch, wenn immer mehr Menschen gut gereiften Bregenzerwälder Käse zu schätzen wissen: Es ist ein aussterbendes Metier, mit dem Sutterlüty zu tun hat. Einerseits sind da die Strapazen der sogenannten Drei-Stufen-Wirtschaft. Eine halbnomadische Lebensweise zwischen Hof, Vorsäss, also einer niedrigen Alm, und der Alpe. Von diesen drei Höhenlagen stammen die Käse, die Sutterlüty anbietet.
Käse bestimmt das Leben. Er muss dreimal in der Woche gepflegt werden, längeres Wegbleiben geht nicht. Zwei Wochen verbringt Anton selbst jedes Jahr selbst auf der Alpe. Die jungen Käselaibe lässt er nach Wien transportieren, wo sie unter seiner Pflege heranreifen. Nur mehr wenige Senner wollen sich den Gepsen-Käse antun. Gepsen, das sind niedrige Gefäße aus Fichtenholz mit 60 Zentimeter Durchmesser, die im Laternsertal östlich des Rheintals hergestellt werden. Das Käsemachen damit ist sehr arbeitsintensiv, denn man arbeitet mit der lebendigen Milch. Es beginnt mit dem Melken am Abend. Die Milch wird kuhwarm in die Gepsen gefüllt. Hier können sich die verschiedenen Arten von Milchsäurebakterien vermehren, die Milch kann über Nacht reifen. Da spielt das Wetter eine große Rolle. Am Morgen wird der Rahm, der sich auf der Milch gebildet hat, abgeschöpft.
Je nach Wetter entwickelt sich die Milch anderes. Ist es schwül oder heiß, reift sie stärker. „Mit den vielen Sommern auf der Alpe habe ich eine besondere Beziehung zur Milch entwickelt. Ich kann von mir auf die Milch schließen. So, wie das Wetter und die Atmosphäre körperlich und stimmungsmäßig auf mich wirken, so wirken sie auch auf die Milch. Man lernt mit dem Käsemachen viel über die Natur, aber auch über sich selbst.“ Von Anton Sutterlüty kann man auch lernen: Dass es Wichtigeres gibt als einen Millionengewinn. Nämlich Käsemachen.
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